ūū24. Mär 2013 – 14:33:14
Eines der wichtigsten Referenzwerke der indischen Astrologie ist das Brihat Parashara Hora Shastra (BPHS), „Des Großen Parashara‘ Abhandlung über die Zeit“. Hora ist der griechische und der Sanskrit-Ausdruck für Stunde (horo-skop = Stunden-Schau sowie ahora-ratra = Tag-Nacht).
Im dritten Kapitel dieser umfangreichen astrologischen Abhandlung werden die Eigenschaften und Ausdrucksformen der Planeten beschrieben. Dazu gehören u.a. die Würden der Planeten in den zwölf Tierkreiszeichen. Sie stimmen im Großen und Ganzen mit denen der klassischen Astrologie des Abendlandes überein, was die Zeichen der Erhöhung uchcha (hoch), des Falls nícha (niedrig) und der Domizile der sieben klassischen Planeten anbelangt.
Darüber hinaus beschreibt das BPHS auch Trikona der Planeten, heute eher bekannt unter der Bezeichnung Mūlatrikona = „Wurzel-Dreieck“.
Das Trikona der Sonne ist zwanzig Grade in Löwe, die letzteren Grade sind ihr eigenes Zeichen. Die Erhöhung des Mondes in Stier ist drei Grade, die späteren Grade sind sein Trikona. Im Widder zwölf Grade sind das Trikona von Mars, danach sein eigenes Zeichen. Die Erhöhung Merkurs ist fünfzehn Grade in Jungfrau, daneben fünf Grade sollen sein Trikona sein, der Rest sein eigenes Zeichen. In Schütze sind zehn Grade das Trikona Jupiters, die letzteren sein eigenes Zeichen. In Waage sind fünfzehn Grade das Trikona der Venus, danach ihr eigenes Zeichen. In Wassermann ist zwanzig Grade des Trikona Saturns, danach sein eigenes Zeichen.
(BPHS, eigene Übersetzung aus dem Englischen)
Das Mūlatrikona eines Planeten ist eine sehr machtvolle Würde, noch stärker, als wenn er „nur“ in seinem Domizilzeichen steht. Aus dem Zeichenabschnitt, der sein Mūlatrikona darstellt, bezieht dieser Planet seine eigentliche Energie und Stärke, wie ein Baum über die Wurzeln Nahrung und Energie aus dem Erdreich aufnimmt. Deshalb der Ausdruck mūla, „Wurzel“.
Die natürlichen Beziehungen der Planeten untereinander
Je nachdem, wie sich nun die Herrschaftsbereiche der anderen Planeten zum Mūlatrikona eines Planeten verhalten, werden Planeten zu Freunden, zu Feinden oder sie verhalten sich zueinander indifferent, neutral.
Vom Trikona aus sind die Herrscher des 4., 2., 12., 5., 9. und 8. sowie der Herrscher seines Erhöhungszeichens freundlich. Feindlich sind die anderen. Neutral sind jene, die beides anzeigen (auf einer Seite freundlich, auf der anderen feindlich, was bei jenen Planeten vorkommen kann, die zwei Zeichen beherrschen).
(BPHS, eigene Übersetzung aus dem Englischen)
Als Beispiel untersuchen wir das Mūlatrikona des Planeten Mars im Zeichen Widder. Der Herrscher des 2. Zeichens ist Venus, des 4. ist der Mond, des 12. ist Jupiter, des 5. ist die Sonne, des 9. ist Jupiter und des 8. Zeichens ist Mars selbst. Erhöht ist Mars im Zeichen Steinbock.
Es ergeben sich auf den ersten Blick folgende Freundschaften: zu Mond, Sonne und Jupiter, denn beide von Jupiter regierten Zeichen stehen freundschaftlich zum Zeichen Widder, Sonne und Mond regieren nur jeweils ein Zeichen. Bei den anderen Planeten müssen wir die Beziehung genauer untersuchen.
Venus ist als Herrscherin des Zeichens Stier freundschaftlich zu Mars eingestellt, als Herrscherin des 7. Zeichens jedoch feindlich. Nun gibt es für diesen Fall eine einfache Formel: Freund + Feind = neutral, indifferent. Merkur regiert das 3. und das 6. Zeichen von Widder aus gerechnet. Beide sind feindlich gegenüber Widder, denn nur das 2., 4., 5., 8., 9. und 12. Zeichen ist in freundschaftlicher Beziehung. Also wird Merkur zum Feind für den Planeten Mars. Saturn gegenüber ist Mars freundschaftlich verbunden, denn er ist im Zeichen Steinbock erhöht. Gleichzeitig beherrscht Saturn das 11. Zeichen von Widder gerechnet, d.h. aus dieser Sicht ist Saturn ein Feind. Freund + Feind = neutral.
Wiederholen wir dieses Prozedere für jedes Mūlatrikona der sieben klassischen Planeten, ergibt sich folgende Übersicht der natürlichen, permanenten Beziehungen der Planeten untereinander:
Studiert man diese Beziehungen der Planeten untereinander, so stellt man fest, dass Freund- oder Feindschaft nicht immer auf Gegenseitigkeit beruht. Am auffälligsten ist das in der Beziehung zwischen Mond und Merkur, die sich beide auf die Wahrnehmung und die Verarbeitung des Wahrgenommenen im Bewusstsein beziehen. Der Mond, das wahrnehmende Bewusstsein, ist Merkur gegenüber freundschaftlich eingestellt. Immerhin ist Merkur in der indischen Mythologie ein Sohn des Mondes. Merkur, der Intellekt, der sein Wissen praktisch nutzbar machen möchte, ist jedoch dem Mond als wahrnehmendem Bewusstsein gegenüber feindlich eingestellt.
Die interplanetaren Beziehungen werden äußerst wichtig, wenn ein Planet in einem Horoskop oder in einem der Vargas (Unterhoroskope, Harmonic oder Divisional Chart) sich nicht im Zeichen seiner Erhöhung oder seines Falls, seines Mulatrikona oder Domizils befindet. Dann entscheidet zunächst seine natürliche Beziehung zum Zeichenherrscher darüber, ob er sich im jeweiligen Zeichen wohl fühlt und möglichst viele seiner guten Qualitäten zum Ausdruck bringen kann.
Lese-Tipp:
Ernst Wilhelm: Graha Sutras
Komilla Sutton: Indische Astrologie. Ebertin-Verlag (leider vergriffen)
Gudrun Schellenbeck & Nicholas Lewis: Praxisbuch der Vedischen Astrologie. Chiron-Verlag
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