Tithis – 30 indische Mondphasen

20. Apr 2012 – 09:31:17

Seit Jahrtausenden beobachtet der Mensch mit besonderer Aufmerksamkeit den Mond in seiner täglich sichtbaren Wandelbarkeit. Die frühesten schriftlichen Aufzeichnungen eines Mondkalenders stammen aus Mesopotamien und dem Babylonischen Reich. Der babylonische Mondkalender kannte 30 Tage. In Indien ist seit Jahrtausenden bis auf den heutigen Tag ein Mondkalender in Gebrauch, der sehr große Übereinstimmung mit dem babylonischen Mondkalender besitzt. Ein lunarer Tag, das ist ein Dreißigstel des lunaren Monats, wird dort Tithi genannt. 

Vollmond

Vollmond

Der indische lunare Monat beginnt an Neumond, wenn Sonne und Mond sich von der Erde aus gesehen am Himmel an der gleichen Stelle befinden. Der Mond ist dann für uns unsichtbar, ausgenommen, es findet gerade eine Sonnenfinsternis statt, bei der sich der Mond tagsüber sichtbar vor die Sonne schiebt.

Sonnenfinsternis = Neumond

Sonnenfinsternis = Neumond (Wikipedia)

Die Monatsmitte, den 15. lunaren Tag bzw. das 15. Tithi, erkennen wir daran, dass sich Mond und Sonne von der Erde aus gesehen gegenüberstehen. Der Mond erstrahlt im vollen Glanz des Sonnenlichts, das er auf die Erde reflektiert. Es ist Vollmond.

In früheren Beiträgen schrieb ich, dass die Sonne Symbol für Atma (oder Atman) ist: die ewige, unzerstörbare Essenz, die wir allgemein als (unsterbliche) Seele bezeichnen. Der Advaita Vedanta vertritt die Auffassung, dass Atman und Brahman (die „Weltseele“, das kosmische, göttliche Selbst) eine Einheit sind. Die indische Philosophie kennt darüber hinaus den Begriff des Jiva (Jivatman) als individuelle Seele, von dem der Advaita Vedanta wiederum der Ansicht ist, dass Jiva kein wirkliches Sein habe, da das Göttliche (Atman = Brahman) unteilbar sei. A-dvaita bedeutet wörtlich ins Deutsche übersetzt „Nicht-Zweiheit“. Auch Jiva ist identisch mit Gott bzw. der Weltseele (Atman oder Brahman). Jedoch hindern Nichtwissen, Begierde und Karma neben anderen Faktoren den Menschen daran, diese Tatsache zu erkennen. Jiva können wir demzufolge als das „nicht-wissende“ (das „meinende“) individuelle Selbst auffassen. Dieser Jiva wird in der indischen Astrologie durch den Mond symbolisiert.Mond

Die sich allmonatlich wiederholenden Mondphasen veranschaulichen dem Menschen das ewige Wechselspiel zwischen Atman und Jiva, zwischen Gott, dem Ewigen, und der „nicht-wissenden“ individuellen Seele.

SonneDas Spiel beginnt an Neumond. Der Mond befindet sich auf der gleichen Gradposition wie die Sonne (astrologisch eine Sonne/Mond-Konjunktion). Er ist für das menschliche Auge unsichtbar, „dunkel“, weil er von der Sonne überstrahlt wird. Sobald sich der Abstand zwischen Sonne und Mond auf 12° vergrößert hat, beginnt der zweite lunare Tag. Mit jedem weiteren lunaren Tag vergrößert sich der Abstand des Mondes von der Sonne um weitere 12° und die Helligkeit des Mondes nimmt zu. Diese Phase des zunehmenden Mondes wird in Indien Shukla Paksha (weißer, heller Pfad) genannt. Wie im altbabylonischen Reich ist auch in Indien jeder lunare Tag einer Gottheit gewidmet und besitzt bestimmte Qualitäten, die für spezielle Handlungen oder Vorhaben des täglichen Lebens besonders günstig sind.

Shukla Paksha

Shukla Paksha

Die Vollmondphase beginnt rund einen Tag vor dem exakten Vollmond, wenn der Mond 12° von der exakten Opposition zur Sonne entfernt ist. Der Tag des genauen Vollmonds ist bereits der erste lunare Tag der abnehmenden Mondphase Krishna Paksha (dunkler, schwarzer Pfad).

Krishna Paksha

Krishna Paksha

Die Phasen des zunehmenden Mondes Shukla Paksha – Weg des Lichts – sind eine Zeit des Wachsens und der Zunahme. Was in dieser Zeit begonnen wird, hat die Tendenz zu wachsen, sich zu vermehren oder größer zu werden. Dies betrifft alltägliche Verrichtungen wie das Haareschneiden oder die Gartenpflege wie auch größere Projekte, zum Beispiel eine Begegnung mit einem für die weitere Zukunft wichtigen Menschen, die Bewerbung um einen Arbeitsplatz, ein Vorstellungsgespräch oder der Beginn eines anderen persönlich wichtigen Vorhabens.

30 Tithis

30 Tithis

Die Zeit des abnehmenden Mondes Krishna Paksha – Weg der Dunkelheit – entfaltet demgegenüber zentripetale, nach innen gerichtete Kräfte. Alles im Leben, was zu Ende gebracht werden oder ein Ende finden soll, wird mit Vorteil in diesen Mondphasen initiiert (d.h. mit seiner Beendigung begonnen). Es ist eine ideale Zeit zum Aufräumen, Saubermachen, reinen Tisch machen, Ausscheiden, Entgiften usw., damit Platz für neues Wachstum im folgenden Zyklus geschaffen wird.

Zum Beispiel hatte ich, damals noch ohne Kenntnis dieser Zusammenhänge, bei abnehmenden Mond spontan den Entschluss gefasst, mit dem Rauchen aufzuhören. Das war im Trayodashi Krishna Paksha, dem 13. Tithi des abnehmenden Mondes. An diesem lunaren Tag stehen die Zeichen auf „Sieg“, speziell für das Beenden jener Dinge, die wir mit großer Leidenschaft getan haben (Kamadeva ist der Gott der Liebe im Sinne von Leidenschaft und Begierde). Das war vor 17 Jahren. Ich rauche bis heute nicht mehr, was ich früher mit großer Leidenschaft getan hatte.

Stier-Neumond 2012

Stier-Neumond 2012

Morgen ist Neumond im Zeichen Stier. Ein neues Spiel beginnt, und ich möchte in den nächsten vier Wochen den Tanz von Mond und Sonne hier im Starfish-Blog verfolgen. Ich weiß selbst noch nicht, was uns erwarten wird und ich wünsche mir, dass die Sonne im Stier mir die nötige Ausdauer schenken wird, die kommenden 30 Mondphasen anzuschauen.

Lassen wir uns überraschen.

Heute ist das 30. Tithi Amavasya Krishna Paksha. Die Neumondphase hat begonnen, eine vorteilhafte Zeit für die Rückbesinnung auf unseren Ursprung und die Wurzeln unseres Seins.

 

Lese-Tipps:
Florian Euringer: Indische Astrologie
Wolfgang Bartolain: Sonne-Mond Kalender 2012
Komilla Sutton: Deities of the Tithis and how they influence the natal chart   PDF-Download

Die blaue Grafik der 30 Tithis stammt von hier.

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