Die drei Gunas

06. Aug 2010 – 14:30:25

Sowohl die Wissenschaft vom Leben Ayurveda (die traditionelle indische Heilkunst) als auch die Wissenschaft vom Licht Jyotish (die indische oder vedische Astrologie) beruhen neben anderen indischen Philosophien auf dem Shankya-Yoga des mythologischen indischen Weisen Shri Kapiladeva. Der Shankhya-Yoga (auch Sankhya oder Samkhya-Yoga) ist der Weg der Analyse von Körper, Seele und Bewusstsein, um den Unterschied von Materie und Bewusstsein zu verstehen, zu verinnerlichen und dadurch das reine Bewusstsein in sich zur Entfaltung zu bringen.

Shri Kapiladeva formulierte u. a. die zwei grundlegenden Elemente des Universums: Purusha und Prakriti. Purusha ist die männliche und Prakriti die weibliche Energie, die beide von Avyakta, dem Unmanifestierten, umfangen werden. Purusha ist nicht manifest, ohne Eigenschaften, ohne Form oder Farbe. Purusha ist die passive, nicht wählende Bewusstheit jenseits von Raum und Zeit, Ursache und Wirkung. Prakriti hingegen hat Form, Farbe und Eigenschaften. Prakriti ist die wählende Bewusstheit, das Eine, das zum Vielen werden will. Purusha ist reine Energie, die Prakriti aktiviert. Prakriti erschafft alle Formen im Universum, während Purusha Zeuge dieser Schöpfung ist. Das Universum wird aus dem Leib von Prakriti geboren, daher können wir Prakriti auch als die göttliche Mutter bezeichnen.

Drei Gunas

 

Die erste Manifestation aus dem Leibe Prakritis ist die Kosmische Intelligenz: Mahad bzw. Budhi. Aus Budhi entsteht wiederum das Ego im Sinne des abgegrenzten Ich-Bewusstseins: Ahamkara.

Das Ego „Ahamkara“ besitzt nun drei verschiedene Grundqualitäten: die Gunas

Sattva, Rajas und Tamas.

Mittels Sattva manifestiert sich das Ego in die fünf Sinne, den „Tammatras“ (Organe der Wahrnehmung), und in die fünf motorischen Organe (Organe der Tätigkeit). Dadurch entsteht das organische Universum. Durch Tamas manifestiert sich das Ego in die fünf Grundelemente, den „Bhujas“ (Äther, Luft, Feuer, Wasser, Erde), wodurch das anorganische Universum entsteht (und im Weiteren die drei Doshas Vata, Pitta und Kapha, die wir aus dem Ayurveda kennen). Rajas ist schließlich die aktive, vitale Lebenskraft, die Sattva oder Tamas in Bewegung setzen kann. Sattva ist das schöpferische Potential und entspricht dem göttlichen Aspekt Brahma, Rajas ist die erhaltende und schützende Kraft entsprechend Vishnu, Tamas ist eine potentiell zerstörerische Kraft, dem göttlichen Aspekt Mahesha (Shiva) entsprechend.

Sattva ist das Prinzip der Reinheit, Harmonie und der Ausgeglichenheit. Es ist die Qualität der Intelligenz, der Tugend und Güte, die Gleichgewicht verleiht. Die Kraft der Liebe, die alle Dinge vereint, die Klarheit und der Friede.

Rajas verkörpert Aktivität, Ruhelosigkeit und Unstetigkeit. Es ist die Qualität der Energie, die Ungleichgewicht verursacht. Rajas ist immer auf der Suche nach einem Ziel, das Antrieb geben kann. Es ist die Kraft der Leidenschaft, die auf Dauer jedoch Kummer und Auseinandersetzung hervorruft.

Tamas ist das Prinzip der Trägheit, Dunkelheit und Passivität. Es bewirkt Unwissenheit und Selbsttäuschung im Geist, verlangsamt und erfüllt mit Schwere. Es ist das Prinzip des Unbewusstseins und der Stofflichkeit, die unser Bewusstsein verhüllen.

Krishna (eine Manifestation des Gottesaspekts Vishnu) erläutert diese drei Prinzipien dem tapferen Krieger Arjuna in der Bhagavad Gita wie folgt:

„Güte (Sattva), Leidenschaft (Rajas) und Finsternis/Schwere (Tamas), das sind die aus der Materie hervorgegangenen Qualitäten. Sie fesseln im Leibe die unvergängliche Seele.
Dort ist die Güte (Sattva) wegen ihrer Fleckenlosigkeit leuchtend und leidlos, (aber) durch das Hängen am Glück wie auch durch das Hängen am Wissen fesselt (auch) sie!
Die Leidenschaft (Rajas) erkenne als von begehrlicher Natur, als Ursprung von Durst und Anhaften. Sie fesselt durch Anhaften an der Tat die Seele.
Finsternis (Tamas) wiederum erkenne als aus Nichtwissen entstanden, als Betörer aller Seelen. Durch Nachlässigkeit, Faulheit und Schlaf fesselt sie!
Güte (Sattva) lässt am Glück hängen, Leidenschaft (Rajas) an der Tat; nachdem sie das Wissen umhüllt, lässt Finsternis (Tamas) jedoch an der Nachlässigkeit hängen.
Nach der Überwindung von Leidenschaft (Rajas) und Finsternis (Tamas) entsteht Güte (Sattva).“
(Kap. 14, Vers 5-10).

Das Ziel der Entwicklung in der Shankya Philosophie ist jedoch nicht die Ausbalancierung der drei Gunas im menschlichen Wesen oder gar eine ausschließliche Betonung von Sattva, sondern die Überwindung aller drei Gunas durch Nichtanhaften soll Ziel menschlichen Strebens sein:

„Der Mensch, der diese drei den Körper erzeugenden Qualitäten überwunden hat, und von Geburt, Tod, Alter und Leid erlöst ist, erlangt Unsterblichkeit.“
(Kap. 14, Vers 20).

Auf Nachfrage Arjunas beschreibt Krishna einen solchen Menschen mit folgenden Worten:

„Wenn er das Licht und die Tätigkeit ebenso wie die Betörung nicht hasst, wenn sie entstanden,
nicht wünscht, wenn sie verschwunden sind,
wenn er, gleichmütig zu den Qualitäten sich verhaltend, nicht bewegt wird,
wer, „Die Qualitäten wirken!“ (denkend), fest steht (und) nicht wankt,
dessen Zustand in Leid und Freud gleichmütig ist,
dem ein Erdklumpen, ein Stein und Gold gleich wert sind,
dem Liebes und Unliebes gleichviel bedeuten,
der Gefestigte, dem Tadel und Lob das gleiche sind,
dem Ehre und Schande gleichviel bedeuten,
der sich gleich verhält zum Freund und zur feindlichen Partei, alle Unternehmen aufgebend,
der wird als über die Qualitäten hinaus geschritten bezeichnet.

Und wer mich mit unbeirrbarer Hinneigung verehrt, der überwindet die Qualitäten und wird fähig zum Brahmawesen.

Des Brahman Grundlage bin ja ich, des unsterblichen und vergänglichen, sowie des ewigen Weltgesetzes und des ausschließlichen Glücks.“
(Kap. 14. Vers 22-27).

Die drei Gunas prägen mit ihren Qualitäten das, was auf einer geistigen Ebene geschieht und sich konsequenterweise auf der physischen Ebene manifestiert. Sie kommen beim Menschen in Form einer geistigen Einstellung zum Ausdruck, die uns das Leben in einer bestimmten Weise sehen lässt. Der Begriff „Geist“ entspricht in der vedischen Philosophie in gewisser Weise unserem Begriff Bewusstsein, genauer betrachtet dem Bewusstsein, das auf die Außenwelt ausgerichtet ist: das, was in uns die Sinneswahrnehmungen verarbeitet. Die indischen Astrologen ordnen diese Fähigkeit dem Mond zu. Der Mond entspricht in der vedischen Astrologie inhaltlich dem Sanskrit-Begriff „Manas„, dem Geist im Sinne des englischen Wortes „mind“, während die Sonne das unsterbliche Selbst, die Seele, der göttliche Funken, Atma, ist. Da uns Menschen die alltägliche Wahrnehmungsfähigkeit des Geistes näher liegt als das innerste Wesenszentrum, konzentrieren sich die Astrologen in Indien stärker auf den Mond, während wir Astrologen in der westlichen Hemisphäre die Sonne in den Mittelpunkt rücken.

Auszug aus einem Artikel erschienen in
„Astrolog – Zeitschrift für Astrologische Psychologie“ Nr. 146, 2005

Shri Ramakrishna erklärt die Gunas

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