Der Mensch hat einen freien Willen,
aber keinen Willen ihn zu gebrauchen.
Schopenhauer
Die Astrologische Psychologie (Huber- oder API-Methode) möchte im Menschen eine erhöhte Lernfähigkeit anreizen und zum eigenständigen autonomen Denken anstiften. Sie bietet hierzu keine Fertiglösungen an, sondern sie stellt ein Instrument der Selbsterkenntnis zur Verfügung, wodurch Selbstakzeptanz, Kreativität, Lebensfreude und Freiheit des Menschen gefördert werden. Determinierende Techniken, zu denen insbesondere Prognosen gehören, konterkarieren diese Zielsetzung, denn sie forcieren die Unfreiheit und Abhängigkeit des Menschen. Aus Sicht der Astrologischen Psychologie sind die Erlebnisse der Innenwelt jene wirkenden Kräfte, die bestimmen, wie der Einzelne Ereignisse erlebt, beurteilt und auf sie reagiert.
Der Schweizer Astrologe Bruno Huber erforschte intensiv, inwieweit die in jedem Menschen inhärente Freiheit im Horoskop abgebildet ist und wie das Horoskop Wege zur Freiheit beschreibt. Seine Deutungsmethode legt den Schwerpunkt auf das eine Viertel Freiheit der vedischen Philosophie, das uns aus der Determination des konditionierten Bewusstseins herausführen kann. Prognosen lehnte er ab, nicht weil sie nicht funktionieren, sondern weil sie uns nur noch mehr in der Determination und Konditionierung versinken lassen. Sie machen uns unfrei, denn sie beziehen sich auf das konditionierte und damit determinierte Bewusstsein – sei es individuell oder kollektiv. Jede eingetroffene Prognose ist deshalb kein Grund zur Freude für den Astrologen, sondern eigentlich müsste er darüber bekümmert sein, denn er konnte lediglich in den Aufzeichnungen unser aller Konditionierungen erfolgreich lesen und den logischsten Ausgang der Entwicklung schlussfolgern.
Ein API-Astrologe kann im Unterschied dazu über Jahrzehnte erprobte Hinweise geben, wie wir diesen Konditionierungen entkommen können. Dieses Wissen finde ich persönlich mit das spannendste und aufregendste an der Astrologie.
Wege zur Freiheit im Horoskop
sind gleichzeitig jene Wege, die unser Bewusstsein in den Kreis in der Horoskopmitte führen. In Seminaren und Vorträgen beginne ich immer mit der Dimension des Kreises in der Horoskopmitte, denn dort ist der Raum der Freiheit jenseits aller Konditionierung. Das Horoskop zeigt in der Summe unsere Konditionierung – und gleichzeitig mögliche Auswege. In seiner Mitte befindet sich unser Wesenszentrum: unendlich, ewig, unveränderlich, frei. Dies ist Purusha, der „Sohn“, der innere Beobachter der äußeren Welt und unserer Gedanken, Gefühle, Handlungen, Konditionierungen, der „Zeuge“.
Das Aspektbild ist eine Darstellung unserer Bewusstseinsstruktur mit ihren subtilsten und tiefsten Konditionierungen. Es wird gerne mit dem Kausalkörper der Theosophie verglichen, dem „Leib der Ursachen“. Die Idee von Körpern als „Fahrzeugen der Seele“ ist nicht allein griechischen Ursprungs (Platon), sondern sie wird bereits im Rig Veda thematisiert. Der augenscheinlichste ist unser physischer Körper, es existiert allerdings auch ein „Fahrzeug“ für Gefühle und Emotionen (Astralkörper), für unsere Gedanken (Mental-Körper), und für unsere Individualität, die „unsterbliche Seele“, die nicht als unveränderlich aufgefasst wird, sondern in deren Hülle die Erfahrungen ihrer früheren Inkarnationen enthalten sind. Der Kausalkörper ändert sich demnach von Leben zu Leben und ist nicht mit Atman zu verwechseln, dem Kreis in der Horoskopmitte.
Die Planeten sind Funktionsorgane des Seelenkörpers, Werkzeuge oder Fähigkeiten, die auf der Lebensreise des Seelenfahrzeuges nützlich sein können, oder auch nicht. Die Tierkreiszeichen geben den Planetenfähigkeiten eine natürliche Prägung, während die Häuser die äußere Welt darstellen, deren Forderungen an den „Reisenden“ dessen Funktionsorgane auf bestimmte Interessen und Verhaltensweisen hin konditionieren.
Innere und äußere Konditionierung
Konditionierung kann zwei Ursprünge oder Ursachen haben. Einmal liegen sie im „Seelenkörper“ selbst, mit dem wir in dieses Leben eintreten. Je nach bevorzugter Philosophie oder Religionszugehörigkeit wird er uns entweder einfach so vom Leben, vom Schicksal, von einer göttlichen Instanz verliehen, oder er ist das Ergebnis (die Summe) unserer Erfahrungen früherer Leben. In beiden Fällen bestimmt dieser Seelenkörper unser Aspektbild und die mit ihm verbundenen Planeten, Zeichen und Häuser unsere Wahrnehmung der Welt, in der wir leben, sowie unsere Wahrnehmung von uns selbst. Dies ist die „innere Konditionierung“. Die „äußere Konditionierung“ ist astrologisch das, was in den Häusern geschieht, der Einfluss der Umwelt auf uns, der besonders prägend in Kindheit und Jugend wirkt, aber auch im Erwachsenenalter, wenn wir uns überwiegend mit den Forderungen der Außenwelt identifiziert haben.
Je mehr wir mit unserem Bewusstsein im Kreis in der Mitte verankert sind, das heißt unsere Konditionierungen erkennen, sie „beobachten“ können und Bewusstheit darüber erlangen, umso freier sind wir. Je mehr wir allerdings in unserem Bewusstsein mit den Häusern und ihren Themen identifiziert sind, umso unfreier und konditionierter sind wir. Dieser Grundsatz stammt aus der Psychosynthese:
Wir werden beherrscht von allem, mit dem wir uns identifizieren.
Wir beherrschen, wovon wir uns disidentifizieren.
Disidentifizieren wir uns von den Objekten der Welt, von unseren Gedanken, Gefühlen, Meinungen und Haltungen (das „meinende Selbst“), und identifizieren wir uns gleichzeitig im Bewusstsein mit dem Kreis in der Horoskopmitte, dem Atman in uns (das „schauende Selbst“), erkennen wir unsere Identität mit Brahman, dem „Vater im Himmel“. Dort ist der Raum der Freiheit.
Das Fadenkreuz und der Punkt der Gegenwart
Im Kreis in der Mitte treffen sich die beiden Achsen des Fadenkreuzes, die Waagerechte der Horizontachse und die Senkrechte der Meridianachse. Das Fadenkreuz des Häusersystems gibt uns im Horoskop eine Orientierung, es teilt das Horoskop in eine obere und eine untere Hälfte sowie in eine linke und rechte Hälfte, aus denen sich die vier Kardinalpunkte des Häusersystems ergeben: links der Aszendent und rechts der Deszendent ergeben die Horizontachse, die in der Huber-Schule Begegnungsachse genannt wird, denn hier begegnen sich das, was ich bin (Aszendent – ICH) und das, was auf mich zukommt (Deszendent – DU). Die Senkrechte verbindet den tiefsten Punkt (Imum Coeli, KOLLEKTIV), unsere Wurzeln und Herkunft mit dem höchsten Punkt (Medium Coeli, INDIVIDUUM), der bewussten Individualität. Sie wird Individual- oder Wachstumsachse genannt.
Der geistige Entwicklungsweg des Menschen geht von der Determiniertheit hin zur Freiheit, das Ziel dieses Weges. Auf der horizontalen Ebene ist der Mensch eingespannt in die Zeit. Auf der einen Seite das Ich, das stets auf Vergangenes bezogen ist, denn es entsteht aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit, an denen es sich misst, mit denen es sich in Beziehung setzt, und auf der anderen Seite das dem Ich Entgegenkommende, die Begegnung mit dem Unbekannten, dem noch nicht Erfahrenen, der Zukunft. Diese Achse verbindet Vergangenheit und Zukunft und handelt von den Kausalitäten, den Beziehungen von Ursache und Wirkung, denen wir alle im Leben unterliegen. Es ist das Karma, das uns begegnet.
Die vertikale Achse öffnet hier einen Bereich der Freiheit. Auf dem Wurzelboden unserer Herkunft eröffnen sich uns neue Wachstumsmöglichkeiten, mit dem Ziel einer einzigartigen Individualität. Der AC zeigt das Gewordene, unser Ich, während das MC die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten anzeigt und damit einen relativen Raum der Freiheit. Sowohl Individualität (MC) als auch Kollektivität, das Anteilhaben am kollektiven Erfahrungs- und Wissensschatz der Menschheit (IC) ermöglicht eine neue Perspektive jenseits der Kausalitäten von Vergangenem und Zukünftigem.
Dort wo sich Waagerechte und Senkrechte, Kausalitäten und Wachstumsmöglichkeiten treffen, liegt der Kreis in der Mitte, die Gegenwart, das ewige JETZT. Im gegenwärtigen Moment ist alles präsent und verfügbar: die Vergangenheit, das Gewordene und die Zukunft des Werdenden sowie die Freiheit jenseits und innerhalb all dessen. Sind wir im Bewusstsein beispielsweise vor allem mit der an den kausalen Bedingtheiten orientierten Waagerechten identifiziert, eröffnen uns die Wachstumsmöglichkeiten der Senkrechten Potentiale der Freiheit.
Die dreifache Persönlichkeit
Der geistige Entwicklungsweg führt von Determination und Konditionierung zur Freiheit durch Aufhebung unserer Identifikationen.
Eine unserer mächtigsten Identifikationen ist das „Ich“, das in der Astrologischen Psychologie dreifach gesehen wird:
Sonne = Denk-Ich (Mental-Körper)
Mond = Gefühls-Ich (Astral-Körper)
Saturn = Körper-Ich (Äther- und physischer Körper)
Die geistige Entwicklung beginnt mit einem starken, in sich gefestigten Ich, einer „integrierten dreifachen Persönlichkeit“. Unser Horoskop kann uns offenbaren, ob wir bereits mit einem starken und einigermaßen gut integrierten Ich auf die Welt kamen, erkennbar an den Positionen und Aspektierungen der drei Ich-Planeten Sonne, Mond und Saturn, oder ob wir hier zunächst auf dem geistigen Weg ansetzen und Grundlagenarbeit leisten müssen, denn ohne integrierte Persönlichkeit ist der geistige Weg nicht ungefährlich. Eine integrierte Persönlichkeit ist in der Lage, ihre Kräfte und Fähigkeiten koordiniert auf ein Ziel auszurichten, das in der Regel dann auch erreicht werden kann.
Stehen zum Beispiel alle drei Ich-Planeten in direkter Aspektierung zueinander, ist dies ein Hinweis auf ein „starkes Ich“, auf ein tiefes inneres Wissen des „ICH BIN“, häufig im Sinne von „ICH BIN unzerstörbar, unendlich, unsterblich“. Eine Aspektierung der Ich-Planeten untereinadnder kann auch der Vergleich der Radix mit dem Mondknoten-Horoskop offenbaren: das Integrationshoroskop, in dem das Grund- auf das Mondknotenhoroskop (AC auf AC) gelegt und sämtliche Aspekte der Ich-Planeten untereinander (und des aufsteigenden Mondknotens) eingezeichnet werden.
Sehr viel häufiger offenbart das Horoskop jedoch noch einiges an Arbeit, um ein stabiles Ich aufzubauen, zum Beispiel wenn Ich-Planeten nach den Deutungsregeln der Astrologischen Psychologie schwach gestellt sind. In diesem Fall gilt der Grundsatz, dass die Integration unserer Persönlichkeit erreicht werden kann, indem wir unsere Stärken betonen. Der Astrologe wird empfehlen, sich in erster Linie auf den stärksten Ich-Planeten zu konzentrieren, denn er wird im Leben die meisten Erfolgserlebnisse bringen, die uns wachsen lassen und uns das Gefühl geben, stark und mächtig zu sein und Einfluss auf unser Leben zu haben. Schwach gestellte Ich-Planeten werden nicht sonderlich betont, an ihnen wird nicht „gearbeitet“, denn sich auf Schwächen und Mangel zu konzentrieren, ist auf die Dauer frustrierend, fördert Gefühle der Ohnmacht und macht somit noch schwächer. Man nimmt in der Astrologischen Psychologie Schwachpunkte zur Kenntnis – und konzentriert sich auf die Stärken. Die Schwächen wachsen dann ganz von alleine mit.
Die drei geistigen Planeten
Uranus, Neptun und Pluto, die drei in der Neuzeit entdeckten Planeten, werden in der Astrologischen Psychologie „geistige Planeten“ genannt, denn sie spielen auf dem geistigen Entwicklungsweg eine besondere Rolle. Zuweilen werden sie auch als transpersonale Planeten bezeichnet, was ihr Wesen sehr gut beschreibt, denn sie symbolisieren Kräfte und Fähigkeiten, die über die Person und das Ich hinausgehen. Sie erschließen den überbewussten Raum und verbinden den Menschen mit spirituellen Ebenen. Sie führen den Menschen in den Kreis in der Mitte.
Die geistigen Planeten stehen dabei in direktem Zusammenhang mit den drei ICH-Planeten, denn sie ähneln diesen in ihrer Funktionsweise, allerdings ohne ein Ich zu enthalten. In der Regel ist diese „vom Ich disidentifizierte“ Haltung dem Mensch von heute allerdings nicht möglich, denn das Ich maßt sich hier im spirituellen Raum einen Bereich an, in den es nicht gehört, an dem es fehl am Platze ist. Zur Unterscheidung vom persönlichen Bereich (personale Ebene, das dreifache Ich bzw. die dreifache Persönlichkeit), in dem das Ich an seinem rechten Platz ist, spreche ich vom Ego, wenn das Ich ohne Transformationsprozesse in geistige oder spirituelle Bereiche eindringen will.
Stehen in einem Horoskop die Ich-Planeten in Aspekt zu geistigen Planeten, geht es für den Menschen im Grunde darum, das Ich durch die Kraft der geistigen Planeten verwandeln zu lassen, mit ihrer Hilfe die Zentrumskraft des Kreises in der Horoskopmitte zu aktivieren und so über sich selbst, über sein Ich hinauszuwachsen. Mit den geistigen Planeten werden dann im Idealfall keine persönlichen „egoistischen“ Ziele verfolgt, sondern sie werden in den Dienst einer Sache gestellt, die über persönliche Belange weit hinausgeht und die Menschheit als Ganzes einbezieht.
Der aufsteigende Mondknoten
Die Astrologische Psychologie zeichnet in Horoskope nur den nördlichen, aufsteigenden Mondknoten ein, denn er ist der erste Schritt vorwärts in der geistigen Entwicklung, ein Punkt permanenter Gelegenheit zur Weiterentwicklung. Der aufsteigende Mondknoten beschäftigt sich mit der noch zu bewältigenden Arbeit, mit der neuen Leistung, der neu zu entwickelnden Fähigkeit. Wenn wir bereit sind, uns in dieser Richtung anzustrengen, werden wir aus ihr Kraft im Überfluss erhalten und mit Sinnhaftigkeit erfüllt. Der Mondknoten ist somit ein wichtiger Punkt, an dem Einseitigkeiten korrigiert werden und Transformationsprozesse stattfinden können.
Eine einfache Technik, mit der man schnell erkennen kann, ob für einen Menschen in diesem Leben wichtige oder große Transformationsprozesse vorgesehen sind: Die geistigen Planeten und den Mondknoten aus der Horoskopzeichnung weglassen und
dann wieder einzeichnen. Kommt es hier zu großen Veränderungen im Aspektbild, dann erwarten den Menschen folgerichtig auch große Lernaufgaben, die zuweilen an die Grenzen des Erträglichen führen können, aber immer auch große Chancen zur Weiterentwicklung bieten.
„Äußere Konditionierung“ im Häusersystem
Die „äußere Konditionierung“ ist astrologisch das, was in den Häusern geschieht, der Einfluss der Umwelt auf uns, der besonders prägend in Kindheit und Jugend wirkt, aber auch im Erwachsenenalter, wenn wir uns überwiegend mit den Forderungen der Außenwelt identifiziert haben.
Die Astrologische Psychologie besitzt mehrere Methoden, den Grad des konditionierenden Einflusses durch die Umwelt im Horoskop abzubilden. Zunächst einmal ist die Verschiebung von Zeichen und Häusern zu nennen, die fast immer zu Diskrepanzen zwischen Anlagen und Umweltforderungen führt, wenn wir nicht mit einem Widder-Aszendenten und gleich großen Häusern auf die Welt gekommen sind. Der Tierkreis und die Planeten in den Zeichen weisen auf unsere ursprünglichen Anlagen hin – das, was wir bereits mitbringen, unsere „innere Konditionierung“. Das Häusersystem symbolisiert im Gegensatz dazu die Umwelt, in die wir seit unserem ersten Atemzug hineingestellt sind, wie diese auf uns einwirkt, uns konditioniert, und wie wir auf diese Konditionierung reagieren. Bei Diskrepanzen zwischen Zeichen und Häusern, Anlage und Umwelt, entsteht ein Spannungsgefälle, das eine bestimmte Entwicklungsrichtung anzeigt. Befindet sich zum Beispiel ein veränderliches Zeichen in einem fixen Haus, dann ist dieses Spannungsgefälle sehr groß zwischen innerem Wollen und Können (Zeichen) und äußerem Sollen oder Müssen (Häuser). Das fixe Haus fordert Sicherheit, Stabilität und Kontinuität, das veränderliche Zeichen will jedoch Lernen, Veränderung und Freiheit. Für diese Diskrepanz gilt es schöpferisch Lösungen zu finden.
Bei der Dynamischen Auszählung geht es um diese Diskrepanzen zwischen Anlage und Umwelt, zwischen Zeichen und Häusern, die quantitativ erfasst und mit positiven oder negativen Zahlenwerten dargestellt werden. Sie offenbaren einerseits die Konstitution, das angeborene Verhalten und auch das Maß an Forderung (oder Unterforderung) durch die Umwelt. Pluszahlen zeigen eine verstärkte Milieueinwirkung, das Verhalten wurde hier (und wird immer noch) von der Umwelt konditioniert, was einer Determination entspricht. Minuszahlen können demgegenüber Freiräume schaffen, denn sie weisen auf eine unterdurchschnittliche Konditionierung hin, was allerdings auch bedeutet, dass man von der Umwelt wenig Know-How im Umgang mit diesen Lebensthemen vermittelt bekam. Wichtig ist, den Sinn zu erkennen, warum man im einen Bereich Pluszahlen aufweist und im anderen Minuszahlen, warum die eine Qualität von der Umwelt gefördert wurde und die andere nicht.
Das Häuserhoroskop ist eine weitere Technik, die uns Auskünfte über den Unterschied zwischen Anlage und Umwelt vermitteln kann. Das Grundhoroskop entspricht der ursprünglichen inneren Anlage, während das Häuserhoroskop den konditionierenden Einfluss der Umwelt aufzeigt. Auch hier ist es wichtig, den Sinn zu erkennen, warum der eine ein von der Radix sehr stark abweichendes Häuserhoroskop besitzt und der andere nicht. Die blinde (unbewusste) Identifikation mit dem Häuserhoroskop, das heißt mit den Forderungen der Umwelt ist nie die Lösung, sondern der bewusste Umgang, der nur geschehen kann, wenn man um die eigenen ursprünglichen Anlagen weiß (Grundhoroskop) und um die Konditionierung durch die Umwelt, die auch als vom Schicksal mitgegebene Lernaufgabe gedeutet werden kann. Dies setzt jedoch immer einen bewussten Umgang voraus.
Talpunkte – Einstülpstellen zum inneren Zentrum
In der Astrologischen Psychologie spielt das Maß des Goldenen Schnitts eine besondere Rolle. Bruno Huber stieß zufällig darauf. Er erkannte durch Befragung und Beobachtung vieler Menschen, dass Planeten auf Häuserspitzen (Koch-Häuser!) ein besonderes Persönlichkeitsmerkmal bilden. Sie fallen dem Beobachter unmittelbar auf, und der Beobachter wiederum reagiert auf diese Planeten, gibt ihnen ein mehr oder weniger subtiles Feedback aus der Umwelt. Das wiederum nimmt auch der beobachtete Mensch wahr, fühlt sich wahrgenommen, erkannt, oder auch angegriffen, je nach Planet und Aspektierung. Es findet offensichtlich eine Interaktion statt zwischen Hausspitze und Umwelt.
Je weiter weg von der Hausspitze (SP) ein Planet steht, umso geringer findet diese Interaktion statt. Das Minimum befindet sich jedoch nicht in der exakten Mitte, sondern ein kleines Stück jenseits davon. Als bildnerischer Künstler (Bruno Huber war auch als Fotograf und als Kunstmaler tätig) erkannte er bald, dass dieser Punkt des minimalen Feedbacks seitens der Umwelt mit dem Maß des Goldenen Schnitts berechnet werden konnte. Er wird heute in der Huber-Schule Talpunkt (TP) genannt.
Mangelndes Feedback bedeutet entwicklungspsychologisch „keine Konditionierung“. Planeten an Talpunkten werden von der Umwelt nicht gesehen, nicht wahrgenommen und somit auch nicht gefördert oder gefordert.
Louise Huber nannte die Talpunkte im Häusersystem “Einstülpstellen zum inneren Zentrum”:
Vom innersten Wesen bis zu den Talpunkten ist ein direkter Weg vorhanden. Ein dort stehender Planet wird vom Zentrum hell erleuchtet und ist eine wichtige verbindende Wesenskraft. Wenn z.B. der Uranus am Talpunkt eines Hauses steht, so kann er direkt erreicht werden, das höhere Denken wirkt sich stark aus, und die meditative Annäherung an das Wesenszentrum wird zum leicht begehbaren Weg. Wenn z.B. Saturn direkt von den Energien des Selbst erreicht wird, also wenn er am Talpunkt steht, dann gibt das beim Übergang des Alterspunktes meistens eine verzweifelte Situation entsprechend dem Hausthema. Der Saturn tritt dann als Hüter der Schwelle auf, der den Tod alter Formen verlangt, was oftmals unfasslich und sehr schmerzlich ist. Kristallisierte Verhaltensweisen werden korrigiert und aufgelöst, oftmals zerstört, damit wieder eine harmonische Entwicklung möglich ist.
(Bruno und Louise Huber: Lebensuhr im Horoskop III)
Mit Planeten an Talpunkten suchen wir besser nicht nach Erfolg und Anerkennung draußen in der Welt, wenn wir nicht im Dauerfrust enden wollen. Immerhin sind sie die Teile in uns, die potentiell einen guten Draht zum Kreis in der Mitte, zum höheren Selbst haben. Meist müssen sie dazu erst einen Wandlungsschritt vollführen, etwas loslassen, etwas transformieren, etwas neu bewerten, auf andere Art und Weise sehen, um durch das Tor in die innere Freiheit schreiten zu können. Dann bekommt der Bibelvers „Die Letzten werden die Ersten sein“ eine ganz neue Bedeutung, denn oft kommen sich Menschen mit wichtigen persönlichen Planeten an Talpunkten wie der letzte Heuler vor, eine Null, ein Versager, ein Nichts, von der Welt verkannt und nicht ernst genommen. Doch gerade mit dieser Planetenfähigkeit am Talpunkt, die von der Umwelt absolut verkannt wird, kann von innen betrachtet Großes erreicht werden, nämlich die innere Befreiung.
Grafiken:
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Lese-Tipp:
Die geistigen Planeten und der Kreis in der Mitte
Ich und Selbst im Psychosynthese-Ei
Neptun – Empathie, Identifikation, Liebe
Die Mondknoten Rahu und Ketu
Mondknotenhoroskop in der Praxis (u.a. Integrationshoroskop)
Das Häuserhoroskop
Literatur:
Dr. Rudolf Hämmerli: Freiheit und Determination. Astrolog Nr. 67 von April 1992
Rolf Steiger: Freiheit, Determination, Individuation. Vortrag (Achberg 12.10.1995)
Robert Mittelstaedt: Freiheit oder Schicksal – die astrologische Gewissensfrage. autodidacta Studienheft, API-Verlag
Bruno und Louise Huber: Transformationen – Astrologie als geistiger Weg. API-Verlag
Bruno und Louise Huber: Planeten als Funktionsorgane. API-Verlag
Schönes Zitat von Schopenhauer. Ich habe ein noch schöneres vom israelischen Philosophen Isaac Bashevis Singer: „Wir müssen an den freien Willen glauben. Wir haben keine Wahl.“
Sollte sich ein Astrologe wirklich darüber freuen, die Wahl von Donald Trump nicht richtig vorhergesagt zu haben? Obwohl andere Astrologen das sehr wohl getan haben? Hinterher konnten jedoch alle die richtigen Prognosen nachvollziehen. In der Retrospektive tut der Astrologe sich deutlich leichter. Noch nie gab es einen Katastrophenfall, Unfall oder auch nur Todesfall (da sind oft die genauen Zeiten bekannt und veröffentlicht), dem Astrologen nicht die entsprechenden Hinweise im Ereignishoroskop zugeordnet hätten. Das funktioniert also immer. Die vermeintliche Freiheit ist nur eine Unsicherheit in der Prognose, die der einfachen und logischen Tatsache geschuldet ist, daß man eine unendliche Anzahl an möglichen Ereignissen nicht eindeutig auf eine endliche Anzahl an Symbolen abbilden kann! Die bloße Unzulänglichkeit einer Prognosemethode mit Freiheit gleichzusetzen würde ein Philosoph einen Kategorienfehler nennen. Das sind beides nämlich völlig unterschiedliche Dinge.
Zwar sind wir determiniert, trotzdem sollte man den Begriff Determination nicht verwenden. Philosophisch wird nämlich erst umgekehrt ein Schuh daraus. Die Begriffe indeterminiert und Indetermination führen zur Erkenntnis. Wäre das Universum indeterminiert, dann wäre alles völlig zufällig. Man könnte nicht aus einer Ursache auf eine Wirkung und nichtmal aus einer Wirkung auf eine Ursache schließen! Eine Ursache bräuchte nicht zweimal die gleiche Wirkung haben oder umgekehrt. Die Kausalität wäre komplett weg! Eine Freiheit, die sich als Gegenteil von Determination versteht, bedeutet nichts anderes als die Abwesenheit von Kausalität.
Hätte Huber wirklich die Freiheit im Horoskop untersucht, dann hätte er bald entmutigt aufgeben und seine Astrologieschule einstampfen müssen. Die Reste wären mit ihm gestorben.
Natürlich gefällt es auch mir nicht, daß ich meinem Schicksal nicht entkommen kann. Ich habe wiederholt versucht das Schicksal auszutricksen. Gerade die Astrologie scheint ein nützliches Werkzeug zu dem Zweck zu sein. Nur ist das Unterfangen trotzdem völlig aussichtslos.
Ranma
Das Wesentliche ist zu erkennen, WER in dir etwas will. Im ersten Artikel schrieb ich, dass die Freiheit kommt, sobald nicht mehr das Ego etwas will, sondern das Selbst. Dazu muss man überhaupt erst da hinkommen zu erfahren, dass man ein Selbst ist, das ein Ich hat.
Meist verstehen die Menschen unter freiem Willen jedoch das freie, grenzenlose Wünschen und dass sich diese Wünsche in absehbarer Zeit erfüllen sollen. Wünschen ist jedoch nicht Wollen. Wünsche hat das Ich. Das Selbst ist meist „wunschlos glücklich“.
Über den Willen schrieb ich vor vielen Jahren ebenfalls einen Text.
Wünschen und wollen sind nicht das Gleiche. So weit einverstanden. Trotzdem ist Determination Voraussetzung für Freiheit, nicht deren Gegenteil. Determination wäre natürlich auch die Voraussetzung für Unfreiheit, weil Determination nichts weiter als Kausalität ist. Das Gegenteil von Determination wäre ein völlig zufälliges und daher auch völlig sinnfreies Universum.
Falls man das eigene Ich nicht völlig ausgeschaltet hat, dann dürfte man den Willen wohl als Schicksal erfahren.
Ranma
Ganz zu Beginn meines Textes schrieb ich, dass Freiheit und Determination einen Antagonismus bilden, ein Sowohl-als-Auch und kein Entweder-Oder. Deiner These, dass ohne Determination keine Freiheit möglich ist, stimme ich zu.
Antagonismus hieß für mich schon entweder-oder. Wenn dem nicht so ist, dann glaube ich, daß wir uns umso mehr mißverstehen. Das eine Viertel Freiheit im Jyotish ist der Unmöglichkeit einer vollständigen und trotzdem genauen Prognose geschuldet. Bedingt durch die Verwendung von Symbolen. Das läßt nicht die Schlußfolgerung zu, daß es einen Teil unseres Schicksals gäbe, der noch nicht genau feststünde. Natürlich steht auch der genau fest. Sonst könnte man nicht nach einem Ereignis hinterher ein Ereignishoroskop in der Weise analysieren wie es üblicherweise getan wird.
Ranma