28. Aug 2010 – 18:42:28
In der Psychosynthese und in der Astrologischen Psychologie spielt der Wille eine bedeutende Rolle. Roberto Assagioli hat ein ganzes Buch nur über dieses Phänomen geschrieben: Die Schulung des Willens. Was hat es mit dieser Funktion in der menschlichen Psyche auf sich, und wie wird sie im Horoskop widergespiegelt?
Zunächst einmal müssen wir differenzieren, was Wünschen und was Wollen ist. Beides ist miteinander verwandt, und dennoch nicht das Gleiche.
Der Wunsch ist eine Sehnsucht, ein Begehren oder Verlangen nach einer Sache oder einem Zustand, den man (noch) nicht hat. Oft hat der Wunsch einen stark emotionalen Charakter. Kommt zu diesem Begehren Aktivität hinzu, rücken wir dem Willen näher. Ich wünsche mir etwas, und wenn dieser Wunsch so stark ist, dass ich mir überlege, wie ich diesen Wunsch am besten, am schnellsten oder am intelligentesten erfüllen kann, sind wir ins Reich des Willens eingetreten.
Wille ist die Entschiedenheit, einen Wunsch zu verwirklichen und das Erkunden der besten Wege, um dies zu erreichen. Der Wunsch kennt nur das Ziel, weiß aber nicht um den Weg, um dieses Ziel erreichen zu können. Das Erforschen der Wege zum Ziel gehört zur Willensbildung. Im Horoskop wird dieses Erforschen der Wege zur Wunscherfüllung durch das Quincunx, den Aspekt von 150 Grad, angezeigt. Er wird grün in das Horoskop eingezeichnet, denn das Erkunden und Erforschen der besten, nützlichsten oder schnellsten Wege spielt sich im Bewusstsein ab.
Konnte der Prozess der Willensbildung erfolgreich abgeschlossen werden, hat das Bewusstsein sich in der Regel für den bestmöglichen Weg zum Erreichen des Ziels entschieden und mobilisiert nun Aktivität, um sich auf den Weg zum Ziel zu machen. Das unterscheidet den Willen vom Wunsch: Entschiedenheit, Intelligenz und Aktivität.
In unserer Kultur wird Wille meist als etwas Männliches angesehen: eine Kraft, die auf etwas zielt und sich darauf zubewegt. Die weibliche Form des Willens ist demgegenüber empfangend. Weiblichen Willen können wir in der Ausdauer entdecken, in der Geduld, im Beharrungsvermögen, im Aussitzen oder Durchstehen einer Durststrecke auf dem Weg. Eine klare Vorstellung zu haben, wie der Weg zum Ziel (oder auch das Ziel) sein muss, gehört zum weiblichen Prinzip. Das männliche Prinzip will per Kraft etwas verändern, das weibliche Prinzip will das Richtige und Gute behalten, aufrechterhalten und nutzen können.
Wir unterscheiden außerdem den „niederen“, egoistischen Willen vom „höheren“, überpersönlichen Willen. Ersterer interessiert sich für die Durchsetzung persönlicher, egozentrischer Belange, letzterer hat stets das Große Ganze im Blick, ist so gesehen transpersonal, über die eigene Person hinausgehend.
Alle Planeten können Willensfunktion haben, aber sie müssen von einem Willen an sich gesteuert sein. Wir sollten, wenn wir unsere Willensfunktion aktivieren wollen, je nach Situation, Gegenstand und Ziel verschiedene Planeten zur Hand nehmen als Instrumentarien, die dann diesem Willen Ausdruck verschaffen. Wenn bei der Anwendung unseres Willens männliche Kraft wichtig ist, setzen wir intelligenterweise einen der männlichen Planeten ein (Mars, Sonne, Pluto). Wenn jedoch der weibliche Wille vorteilhafter ist, benutzen wir besser Venus, Saturn oder Uranus. Zur Verfolgung persönlicher Wünsche und Ziele bieten sich vor allem die Ich-Planeten (Sonne, Mond und Saturn) an und auch die kreatürlichen Planeten Merkur, Jupiter, Venus und Mars.
Zielen wir mit unserem Willen auf transpersonale Bereiche, so können wir von den geistigen Planeten Uranus, Pluto oder Neptun Gebrauch machen, vorausgesetzt wir haben diese geistigen Fähigkeiten kultiviert. Überhaupt sollten diese drei neuen Planeten nur für die Verwirklichung geistiger Ziele, die über das kleine Ego weit hinausgehen, genutzt werden. Nutze ich Uranus, Neptun oder Pluto für Egospielchen, komme ich schnell in eine Lage wie der Zauberlehrling in Goethes bekanntem Gedicht. Diese drei Planeten funktionieren nur gefahrlos in der Hand eines Meisters, das heißt eines Menschen, der sein Wahres Selbst, astrologisch der Kreis in der Mitte, verwirklicht hat.
Ein solcher Meister war zum Beispiel der bekannte Weisheitslehrer Paramhansa Yogananda, der die geistige Einheit der hinduistischen und christlichen Religionen aufzeigte. Er hat dem Willen große Bedeutung beigemessen: Aus seiner Erfahrung als Yogi war er der Ansicht (wie auch der Psychiater Roberto Assagioli), dass ein ausdauernder, ruhiger und machtvoller Gebrauch des Willens die schöpferischen Kräfte wachrufe, die unweigerlich eine Antwort vom Unendlichen, von Gott, hervorrufe. „Es ist die Willenskraft, die uns Göttlichkeit verleiht.“ Yogananda hatte hier offensichtlich den transpersonalen Willen im Sinn, den wir in der Astrologischen Psychologie vor allem am geistigen Planeten Pluto festmachen können.
Als Jesus zum Himmlischen Vater sagte: „Dein Wille geschehe“, bedeutete das nicht, dass es ihm an Willenskraft fehlte, sondern dass er seinen Willen vom Willen Gottes leiten lassen wollte. Als Gottes Wille ihm nahe legte: „Gib deinen Körper auf“, musste Jesus große Willenskraft aufbringen, um über die Schwächen des Fleisches zu siegen. Wenn der menschliche Wille völlig in Einklang mit dem GEIST ist und, wie Christus, notfalls sogar den eigenen Körper freiwillig aufgeben kann, dann wird er zum göttlichen Willen.
Yogananda hatte in seinem Horoskop eine enge Konjunktion von Neptun und Pluto im 10. Haus. Der transpersonale Wille des Planeten Pluto ist mit der bedingungslosen Liebe des Planeten Neptun zu einer neuen Einheit verschmolzen. Als der Alterspunkt im Sommer 1948 diese Konjunktion erreichte, erlebte Yogananda Samadhi. Die Neptun/Pluto-Konjunktion bildet unter anderem ein Quincunx zu Uranus. Yoganandas Anliegen war es, einen intelligenten und für viele Menschen begehbaren Weg meditativ zu erforschen, damit sie Gott und den göttlichen Willen in sich erkennen und verwirklichen können.
Verwendete Literatur:
Mitschrift eines Vortrages von Bruno Huber über den Willen (Juni 1997)
Roberto Assagioli: Die Schulung des Willens. Junfermann-Verlag
Paramhansa Yogananda: Die ewige Suche des Menschen. O.W. Barth Verlag (s. Zitat)
„Im Horoskop wird dieses Erforschen der Wege zur Wunscherfüllung durch das Quincunx, den Aspekt von 150 Grad, angezeigt.“
Das gefällt mir. Schon wegen der Qinkunxe in meinem Radixhoroskop.
Ranma