Wenn heute Nacht der Planet Venus sich von der Erde aus betrachtet vor die Sonne schiebt (der Venustransit), dann finden zeitgleich mehrere astrologisch bedeutsame Phänomene statt:
- Venus ist von der Sonne verbrannt bzw. Cazimi, „im Herzen der Sonne“
- Venus ist rückläufig
- Venus steht geozentrisch auf ihrem eigenen aufsteigenden Knoten
- Venus steht geozentrisch auf dem aufsteigenden Sonnenknoten
- Venus steht heliozentrisch in enger Konjunktion mit der Erde am absteigenden Venusknoten.
- Venus steht außerdem in der Nähe der Uranusknotenachse.
Ein Planet, der im Horoskop der Sonne sehr nahe steht, gilt als verbrannt, denn in der unmittelbaren Nähe der intensiven Strahlung der Sonne kann sich kein Planet wirksam und vorteilhaft entfalten. Die indische Astrologie bezeichnet einen verbrannten Planeten kopa, als wütend oder zornig. Eine Ausnahme bildet die sehr enge Konjunktion von weniger als 17 ½ Bogenminuten. Dann ist der Planet Cazimi, „im Herzen der Sonne“, wo er direkt an der Seite des „Königs“ seine besten Fähigkeiten zur wirksamen Entfaltung bringen kann. Die Cazimi-Phase der Venus beginnt heute Abend gegen 23 Uhr.
Venus ist während des Venustransits immer rückläufig. In der indischen Astrologie werden rückläufige Planeten als shakta bezeichnet, als besonders machtvoll.
Der Astrologe Alexander Ruperti verfasste ein kleines Büchlein über „Die Knoten des Mondes und der Planeten„, das in den 1970er Jahren im API-Verlag erschienen ist. Er schreibt darin über die Planetenknoten:
Das, was in dem Augenblick geschieht, in dem ein Planet über seinen aufsteigenden Knoten läuft und anschließend eine nördliche Breite haben wird, gibt evtl. dem gesamten nördlichen Zyklus dieses Planeten seinen Charakter, so wie der Frühling der Beginn des Sonnenjahres ist. Wenn sich ein Planet auf seinem aufsteigenden Knoten befindet, können wir seine besondere Qualität besser assimilieren oder absorbieren. Wenn er sich hingegen auf seinem absteigenden Knoten befindet, können wir die assimilierten neuen Werte freiwerden lassen, verwirklichen, oder müssen uns den negativen Resultaten, die aus einem Assimilierungsmangel entstanden sind, stellen.
Sonne und Venus auf ihren aufsteigenden Knoten bieten der Menschheit eine ganz besondere (und in dieser zeitlichen Synchronizität seltene) Gelegenheit, Sonne- und Venusqualitäten zu entwickeln und zu assimilieren. Da beide gleichzeitig in der Nähe der Uranusknotenachse liegen, werden zusätzlich zu den Venus- und Sonnequalitäten solche der schöpferischen Intelligenz (Uranus) aktiviert. Venus und Uranus gelten in der Astrologischen Psychologie jeweils als weibliche Planeten, deren Motivation die Harmonisierung, das Aufrechterhalten (Inganghalten) des Schöpfungsprozesses und die Erhaltung der Schöpfung ist, wobei Venus sich auf die kreatürliche Ebene konzentriert und Uranus auf die schöpferisch-geistige Ebene.
In der Astrologischen Psychologie ist Venus der Geschmackssinn, der uns aus einem gegebenen Angebot das auswählen lässt, was uns gut tut, was unserem Wesen entspricht, was uns harmonisiert oder uns schöner und vollkommener erscheinen lässt.
In der Esoterischen Astrologie nach Alice Bailey ist Venus als exoterische Herrscherin des Zeichens Stier vom Wunsch nach Besitz und dem „Habenwollen“ beseelt. Sie sucht Komfort und Genuss, nährt, schützt und pflegt aber auch das Wachsende und Erschaffene. Als exoterische Herrscherin des Zeichens Waage vermittelt sie einen Sinn für Ausgewogenheit und Harmonie in der persönlichen Lebensgestaltung (ästhetischer Sinn) und hat gleichzeitig das Bedürfnis nach harmonischen, ausgeglichenen Beziehungen. Als esoterische Herrscherin des Zeichens Zwillinge, in dem der aktuelle Venustransit stattfindet, bietet sie die Möglichkeit einer Synthese zwischen den Polaritäten der Welt, vor allem auf der Ebene des Denkens. Als hierarchische Herrscherin des Zeichens Steinbock symbolisiert Venus schließlich die spirituelle Liebe, die sich auszeichnet durch Unpersönlichkeit, Selbstlosigkeit und die Bereitschaft zum Dienst an anderen.
In der indischen Astrologie wird der Planet Venus Shukra genannt und ist ein Mann. Er ist der Sohn Bhrigus, eines der großen sieben Weisen (Saptarshis). Shukra bedeutet übersetzt „hell, rein, klar“, aber auch „Samen“. Tatsächlich untersteht Venus die biologische Fortpflanzung und die DNA, denn „Samen“ (z.B. menschliche und tierische Spermien und Eizellen, Pflanzensamen etc.) enthalten das genetische Material, aus dem Leben sich entfaltet. Deshalb ist Venus auch Virya, die Lebenskraft und Potenz. Das Sanskritwort Virya hat Ähnlichkeit mit dem Wort Virilität, das aus dem Lateinischen stammt. Virilität bedeutet Männlichkeit und männliche Zeugungskraft. In Indien regiert Venus über Virilität, nicht nur über die des Mannes, sondern über die des Menschen allgemein. Sportler und Sportlerinnen benötigen eine gut gestellte Venus, denn sie regiert die physische Kraft. Sie ist auch ein entscheidender Faktor, wenn es um die Erholung von einer Krankheit oder einer Operation geht.
Venus ist Kama, die Liebe im Sinne von Begierde und Lust. Venus ist voll Begierde und in der Regel sich im Klaren über den Preis ihrer Lust. Ihr wird das Guna Rajas zugeordnet, das Aktivität und Leidenschaft anzeigt.
Venus gilt als Daityaguru, als Lehrer der Dämonen. Daityas sind eine Dämonenart ähnlich den griechischen Giganten oder Titanen. Sie gehören zu den Asuras. Die Daityas represäntieren die mächtigen Kräfte der Materie. Als Guru dieser Dämonen ist Venus‘ Ratschlag nicht himmlisch-göttlich wie der des Deva-Gurus Jupiter, sondern betont praxisbezogen. Venus hilft, das menschliche Schicksal auf der Erde zu verbessern, indem sie die Menschen lehrt, dass auf eine Aktion eine natürliche Reaktion folgt, die mit gesundem Menschenverstand voraussehbar ist. Auf diese Weise erleichtert sie das Leben der Menschen, fördert deren Lernfähigkeit und gibt in Konflikten Trost.
Venus liebt all jene Dinge, die den Menschen erfüllen und vollständiger machen. Sie hilft, Entscheidungen zu treffen, die das Leben schöner und harmonischer gestalten.
Aus indisch-astrologischer Sicht bedienen sich unterschiedliche Götter des hinduistischen Götterhimmels einzelner Planeten, um durch sie ihre Ziele auf Erden zu verwirklichen. Über den Planeten Venus manifestiert sich gemäß Brihat Parashara Hora Shastra, dem wichtigsten astrologischen Text in Indien, die Göttin Sachi (auch Shachi), die Gefährtin des Kriegsgottes Indra. Tatsächlich ist Indra in seinen Kämpfen nur siegreich, weil er Sachis Amulette und Talismane trägt. Shachi bedeutet „die Mächtige und Hilfreiche“, auch „endlose Schönheit“. Sachi ist eine eifersüchtige und zornige Göttin.
Die Göttin Lakshmi ist damit verglichen eine wesentlich lichtvollere Gestalt. Lakshmi ist die Gemahlin des großen Gottes Vishnu, der den schützenden und erhaltenden Aspekt des Göttlichen personifiziert. Lakshmi ist die Göttin des Wohlstandes. Venus-Lakshmi besitzt die Fähigkeit, sich den Wohlstand anzueignen, der nötig ist, um seinen Dharma (das ist die Lebensaufgabe oder –pflicht) erfüllen zu können.
All diese Dinge werden nun durch den Venustransit intensiviert. Es sollten sich uns demzufolge Gelegenheiten anbieten, das Schöne, Ästhetische, Harmonisierende oder Bereichernde, für das Venus steht, in unser Leben zu integrieren.
Eigenartig und sicher kein Zufall, dass wir die beiden sehr seltenen Venustransite in einer Zeit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrisen erleben. Die Finanzkrise 2008, mit der die heutige angespannte Situation begonnen hat, erreichte ihren Höhepunkt in der zeitlichen Mitte der beiden Venustransite 2004 und 2012. Offenbar soll jeder Einzelne sich über die Venus-Themen im Allgemeinen und im Besonderen Gedanken machen, über Werte und Besitz, über Reichtum und Luxus, über Armut und Hunger.
Da Venus und Erde von der Sonne aus gesehen heute Nacht eine Einheit bilden, eine Art eineiiger kosmischer Zwilling, ist dieser Venustransit ein ganz besonderer Moment nicht nur auf der Erde, sondern vermutlich im gesamten Sonnensystem.
Hören wir also heute Nacht aufmerksam der Daityaguru, der Lehrerin der Dämonen, zu. Sie kann uns vieles lehren über unsere Handlungen und die Konsequenzen, die aus ihnen hervorgehen. Im Zeichen Zwillinge herrschen ideale Bedingungen, unseren gesunden Menschenverstand zu schärfen und in den heutigen schwierigen Zeiten auch einzusetzen.
Literatur:
Ernst Wilhelm: Graha Sutras
Alexander Ruperti: Die Knoten des Mondes und der Planeten. API-Verlag (Autodidacta-Band)
Gunda Scholdt: Praxisbuch der Esoterischen Astrologie
Bruno und Louise Huber: Planeten als Funktionsorgane. API-Verlag
Bild:
Botticelli: Die Geburt der Venus.
Wikipedia
Nachtrag:
Für alle, die das Jahrhundertereignis nicht live verfolgen konnten, gibt’s nach 20 Sekunden Werbung einen NASA-Film: