18. Feb 2012 – 09:08:07
Gestern ist Christian Wulff vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten. Das Horoskop für den Moment, als er den entscheidenden Satz vortrug, ist rechts zu sehen.
Der Aszendent steht in Zwillinge, der Herrscher Merkur im 10. Haus: eine wichtige Botschaft wird verkündet. Das Staatsoberhaupt, verletzt von den Berichterstattungen der letzten Monate, teilt seinen Rücktritt mit. Verletzt ist der Mond, der ein Quadrat von Uranus erhält. Uranus konfrontiert hier mit unberechenbaren Impulsen, mit schnellen Entwicklungen, die sich um das Thema „Neuanfang“ ranken (Widder).
Das Rücktrittshoroskop wird von einer Aspektfigur beherrscht, die in der Astrologischen Psychologie „Wiege“ genannt wird, die ich Anfang der Woche im Eintrag zum Valentinstag beschrieb. Die viereckige Form und die blauen Aspekte (Sextile und Trigone) der Wiege weisen auf ein ausgeprägtes Harmonie- und Ruhebedürfnis hin. Es geht hier um den Wunsch nach Geborgenheit und nach Schutz der privaten Sphäre. Das Quadrat von Uranus stört dieses Streben nach Ruhe enorm. In der Regel erreicht man die Zufriedenheit und Harmonie in der Wiege nur mittels Verdrängung der Themen in der anderen Horoskophälfte. Die Opposition wirkt dabei wie ein Schutz- und Abwehrmechanismus gegenüber der „feindlichen Welt“ auf der anderen Seite. Alles, was zu hart, lieblos und disharmonisch erscheint, trennt die Opposition klar ab. In der anderen Horoskophälfte steht nur der rückläufige Mars: „ausdauernde Angriffe“ aus dem Raum des Kollektivs. Als Grund für seinen Rücktritt gab Wulff an, dass die Bundesrepublik „einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen wird“ braucht. „Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen und damit meine Wirkungsmöglichkeiten nachhaltig beeinträchtigt sind.“
Die Wiege steht auf dem Kopf, d.h. der ruhe- und harmoniesuchende Mond fällt aus der Wiege heraus in den Kollektiv-Raum (3./4. Haus). Christian Wulff ist jetzt nicht mehr Staatsoberhaupt, sondern einer von vielen. Er hebt sich nicht mehr aus der Masse heraus (obere Horoskophälfte, insbesondere der Individualraum des 9. und 10. Hauses). Das berechtigt nun die Hannoveraner Staatsanwaltschaft, offiziell Ermittlungen gegen ihn aufzunehmen.
Wie fing alles an? Mit der Vereidigung zum Bundespräsidenten am 2. Juli 2010. Im Horoskop der Vereidigung findet sich wieder eine blau-rote Aspektfigur, das „Rechtschaffenheits-Viereck“. Der Name ist Programm. Man kann in der Figur einen Briefumschlag sehen, dessen spannungsgeladenes Inneres nach außen abgeschirmt wird. Die Widersprücke und Konflikte der beiden Oppositionen sind schön verpackt. Die blauen Aspekte zeigen nach außen eine Orientierung nach Grundsätzen der Harmonie und des Wohlverhaltens. Man passt sich der Umwelt harmonisch an, oder fügt sich harmonisch in sie ein, denn das verleiht Sicherheit. Äußere Spannungen werden mit dieser Figur schwer ertragen und sofort verdrängt. Dies ist nun nicht das Geburtshoroskop Christian Wulffs. Ob er persönlich so reagiert, erfahren wir nur aus seiner Radix. Dieses Horoskop beschreibt die Funktion des Bundespräsidenten, der am 2. Juli 2010 vereidigt wurde. Es beschreibt einen Bundespräsidenten, der innere Konflikte und Probleme nach außen nicht zeigen will, sie verdrängt, so tut, als wäre da nichts, als wäre er und alles um ihn herum „rechtschaffen“.
Es gibt in diesem Vereidigungshoroskop jedoch zwei erhebliche Störfaktoren: die Opposition Saturns zur Uranus/Jupiter-Konjunktion und die Opposition Plutos zur Sonne/Merkur-Konjunktion am MC und im Quadrat zur Jupiter/Uranus-Konjunktion. Diese beiden harten, roten Aspekte streichen die Pseudo-Harmonie des Briefumschlags durch. Sie lassen nicht locker, bis die innere Wahrheit ans Licht kommt. Für den Harmoniesuchenden ist das natürlich schrecklich, wenn die Außenwelt da nicht locker lässt.
Der Alterspunkt der Vereidigung steht aktuell im Quincunx zum Mond. Die emotionale Lage ist verunsichert, zweifelnd, suchend, entscheidungsschwach.
Der Mondknoten-Alterspunkt befindet sich absolut exakt auf dem Pluto des Mondknotenhoroskops. Pluto steht dort im 1. Haus. Das 1. Haus eines Horoskops beschreibt die Person an sich, ihre Erscheinung, ihr Image. Im Vereidigungshoroskop beschreibt sie nicht Wulff persönlich, sondern seine Erscheinung als Bundespräsident. Pluto läuft im 1. Haus immer Gefahr, sich Macht (Pluto) anzumaßen, Pluto für Image-Zwecke einzusetzen. Im Mondknotenhoroskop werden jedoch Dinge beschrieben, die keine reale Basis haben. Es ist ein Spiegelhoroskop, das Schatten-Themen oder vergangene Themen zeigt, die heut nicht mehr so sind, wie sie in der Erinnerung erscheinen. Diesen „Irrtum“ (man könnte fast sagen, das „falsche Bundespräsidenten-Ich“) hat der Alterspunkt nun im Mondknotenhoroskop aktiviert, und als der Transit-Mond (der ja in der Radix vom Alterspunkt aspektiert wird) den Radix-Pluto erreicht hatte, Uranus steht schon seit einigen Tagen im Quadrat zum Mondknoten-AP, hat der Bundespräsident die Konsequenzen gezogen.
Das Unangenehme am Mondknotenhoroskop ist, dass der Umwelt die Zusammenhänge oft glasklar sind, aber man selbst seinen blinden Fleck nicht erkennt. Bedenkt man Wulffs Reaktionen und Handlungsweisen der letzten zwei Monate, gewinne ich mit Blick auf das Mondknotenhoroskop seiner Vereidigung den Eindruck, dass er sich sehr stark mit seinem Amt identifiziert hat und nun über den Schatten-Pluto gestolpert ist.