23. Nov 2012 – 07:59:08
Venus gilt in der indischen Astrologie als Wohltäter (Benefic). Sie ist Daityaguru, Lehrer der Daityas. Daityas gehören zu den Dämonen (Asuras) und haben Ähnlichkeit mit den Giganten der griechischen Mythologie. Venus ist sich in dieser Position der dunklen und schwierigen Seiten ebenso bewusst wie der hellen und guten Aspekte des Lebens. Sie weiß, wie wir uns in diesem Spannungsfeld am besten bewegen können, welche Position wir einnehmen sollten, wie wir uns für den besten Weg entscheiden können. Sie geht dabei pragmatisch vor und weiß, wie mit Schwierigkeiten und Konflikten diplomatisch umgegangen werden kann.
Den nun folgenden von Venus regierten Nakshatras ist eine „grimmige“ (ugra) Natur eigen, was europäische Astrologen verwundern mag, die in Venus in der Regel nur das Schöne, Ästhetische und Ausgleichende erkennen. Der Planet Venus ist aus indischer Perspektive zunächst einmal männlich wie alle neun Planeten, und in seiner Qualität leidenschaftlich und schonungslos, wie auch die der Venus zugeordneten Nakshatras, denn das Guna Rajas motiviert sie zu Handlungen. Venus, die selbst als Planet bereits von diesem Guna in ihren Aktivitäten motiviert wird, erlebt sich als die Handelnde, die aktiv wird, um positive Entwicklungen anzustoßen und Probleme zu bewältigen und zu lösen.
Bharani
„Träger, Überbringer“
Gottheit: Yama, Gott des Todes
Fixstern: Bharani (41 Arietis), 35 und 39 Arietis im Sternbild Widder
Shakti: die Fähigkeit, Dinge wegzunehmen
Obere Ebene: dem Körper Leben entziehen
Untere Ebene: der Übergang der Seele in das Reich der Vorfahren
Ergebnis: Geschöpfe wandern in die nächste Welt
Bharani ist ein sehr kreatives, schöpferisches Nakshatra, nicht selten mit einer betont sexuellen Note. Sein Symbol ist die Yoni, das weibliche Geschechtsorgan. Dass der vedische Gott des Todes, Yama, über seine Belange wacht, irritiert nicht mehr, wenn wir wissen, dass Yama große Ähnlichkeit mit dem griechischen Gott Hades bzw. dem römischen Pluto hat. Die obere (spirituelle) Ebene handelt davon, den Manifestionen der Materie das Leben zu entziehen, wenn die Zeit für eine Wandlung der Form gekommen ist, für eine Trans-form-ation, bei der es im Grunde darum geht, das Überlebte, nicht mehr Zeitgemäße sterben zu lassen, damit Neues entstehen und das Leben in neue Formen einziehen kann.
Yama fand als erster gestorbener Mensch den Weg der Väter, den Weg ins Jenseits, in den Himmel. Er wurde so zum Dharmaraja, dem König des Dharmas, der in seiner Funktion als Totenrichter das unerforschliche Weltgesetz Rta kennt. Er ist in dieser Funktion als einziger befähigt, über Menschen ein ehrliches Urteil zu fällen, frei von Vorurteilen. Bharani weiß, wer und was es wert ist, auch in der Zukunft Bestand zu haben oder erhalten zu werden. Diese Fähigkeit ist besonders nützlich in der Bewältigung des materiellen Daseins und dem Erfüllen der Verpflichtungen, die dieses mit sich bringt (Artha-Zielsetzung).
Bharani hat eine exzessive Qualität, da sich hier Gegensätze berühren: der weibliche Planet Venus beherrscht dieses Nakshatra, das einen Teil des Sternbildes Widder bildet, der wiederum von Mars beherrscht wird. Geburt und Tod berühren sich hier. Der Mensch neigt in diesem Nakshatra leicht zu Übertreibungen, auch in seinen idealistischen Bestrebungen, die hier häufig anzutreffen sind.
Der Sänger Jim Morrison wurde mit dem Mond im Nakshatra Bharani geboren. Er war als Künstler sehr kreativ und gleichzeitig geradezu besessen von Yamas Reich des Todes.
Purva Phalguni
„früherer (vorderer) Rötliche“
Gottheit: Bhaga
Fixstern: Zosma und Chertan im Sternbild Löwe
Shakti: die Fähigkeit der Erneuerung
Obere Ebene: die Ehefrau
Untere Ebene: der Ehemann
Ergebnis: die Erschaffung des Fötus
Bhaga („der Gebende“) galt in vedischer Zeit als Verteiler des Glücks und materiellen Wohlstandes. Außerdem galt er als Schutzgott der Ehe. Oft nannte man ihn in alter Zeit „Stern des Morgens“, was auf seinen engen Bezug zum Planeten Venus hinweisen dürfte. Venus ist in der indischen Astrologie Karaka (Signifikator) für die Ehe und im Horoskop eines Mannes außerdem für die Ehefrau. Ptolemäus brachte die Fixsterne in der Lendengegend des Sternbildes Löwe ebenfalls mit Qualitäten der Venus in Verbindung.
Bhaga gehört zu den zwölf Adityas, den Söhnen der Muttergöttin Aditi, die den zwölf Aspekten der Sonne zugeordnet wurden. Die Bezeichnung phalguni, übersetzt „Rot, rötlich“, bezieht sich möglicherweise auf die Sonne des Morgens (Morgenröte).
Das Ergebnis des Zusammenwirkens der oberen (göttlichen, spirituellen) und der unteren (menschlichen) Ebene deutet eines der Hauptthemen des Sternbildes Löwe an: die Zeugung von Nachkommen, die die Shakti dieses Nakshatras sicherstellen: die Fähigkeit zur stetigen Erneuerung (Fortpflanzung).
Purva Phalguni ist das Nakshatra, das uns die Früchte unserer Anstrengungen zu schenken und unsere Wünsche auf materieller Ebene zu erfüllen vermag (Kama).
Mit dem Mond in der Konstellation wurden geboren der Schauspieler Bill Cosby und die Künstlerin Madonna, die dieses Nakshatra außerdem am Jungfrau-Aszendenten stehen hat, dessen Zeichen-Herrscher Merkur ebenfalls in Purva Phalguni steht. Cosby ist berühmt als Familienvater in seiner Dauerserie „Familienbande“, während Madonna bekannt dafür ist, sich jedes Jahr neu zu erfinden und in der Musik wie in der Mode gleichermaßen stets neue Trends zu setzen.
Purva Ashadha
„früherer (vorderer) Unbesiegbarer“
Gottheit: Apah (Apas), Göttin des Wassers
Fixstern: Kaus Borealis, Medius und Australis im Sternbild Schütze
Shakti: die Fähigkeit zur Kräftigung
Obere Ebene: Stärke
Untere Ebene: Verbindung
Ergebnis: Gewinn von Ruhm und Brillanz
Die Fixsterne, die die Konstellation Purva Ashadha bilden, entsprechen dem Bogen des Sternbildes Schütze. Der Bogen zielt auf das Herz des Skorpions, den Fixstern Antares. Oder auf das Galaktische Zentrum, das sich im vorangehenden Nakshatra Mula zwischen den Sternbildern Skorpion und Schütze befindet. Im Sternbild Schütze wurde der Satyr (eine Dämonenart der griechischen Mythologie) Krotos auf Wunsch der neun Musen (Schutzgöttinnen der Künste) von Zeus am Himmel verewigt. Krotos galt als Erfinder des Bogens und war ein gewandter Jäger und Bogenschütze.
Apah ist in der vedischen Mythologie eine Göttin des Wassers, die in den Veden allerdings nur selten Erwähnung findet. Entsprechend erfahren wir auch im sonst allwissenden Internet nicht viel über sie. Prash Trivedi vergleicht sie in seinem The Book of Nakshatras mit den Meeresgöttinnen anderer Kulturen, zum Beispiel mit Aphrodite, Astarte usw. und macht auf die Ähnlichkeit der Namen „Aphrodite“ und „Apah“ aufmerksam. Über Aphrodite finden wir den Bezug zum Planeten Venus, der über Purva Ashadha herrscht. Trivedi stellt Apah als Gegenpart des männlichen Varuna dar, der über den Himmelsozean herrscht (siehe Shatabishak).
Der Mythos Samudra Manthan schildert die schöpferischen Qualitäten des Wassers, aus dessen Fluten während des Umrührens des Milchozeans durch Götter und Dämonen Schätze und Kostbarkeiten aufsteigen, unter anderem die Göttin Lakshmi (Venus). Aber auch ein starkes Gift, das die gesamte Welt hätte zerstören können, wenn es nicht vom Gott Shiva geschluckt worden wäre. Das Wasser birgt positive, aber auch negative Seiten. Purva Ashadha befindet sich im Bereich der galaktischen Ebene (der Milchstraße, in der vermutlich der Milchozean der indischen Mythologie zu sehen ist), wo besonders viele Fixsterne und Nebel zu beobachten sind, die in ihrer Gesamtheit als nahezu senkrechtes milchiges Band vom Himmel auf die Erde herabzufließen scheinen.
Der Name dieses Nakshatras verrät, dass ihm eine beträchtliche Stärke innewohnt, die nahezu unbesiegbar macht. Wasser ist in der Mythologie ein Symbol für Bewusstsein. Im Falle von Apah fließendes Wasser (zum Beispiel Bäche und Flüsse), das sich auf die dynamischen Aspekte des Bewusstseins bezieht, die, wenn sie sich mit der göttlichen, spirituellen Ebene verbinden, die Stärke empfinden können, die von dieser Ebene bezogen werden kann. Die Verbundenheit mit dieser spirituellen Stärke macht scheinbar Unmögliches möglich. Und sie lässt erkennen, wo in der Welt Lebensumstände einer Verbesserung bedürfen. Die Unzufriedenheit mit den Bedingungen des Lebens ist ein starker Antrieb, den Kampf gegen die Missstände in der Welt aufzunehmen (indem der Schütze den Bogen auf sie richtet) und die Welt zu verbessern. Wichtig ist in diesem Prozess, sich innerlich verbunden zu fühlen mit dem, was man sich als Ziel gesetzt hat (obere und untere Ebene). Diese Verbundenheit erzeugt eine magnetische Anziehungskraft dieser Menschen, ein Charisma, das andere mitreißen kann, im Guten wie im Schlechten, denn wie immer sagt dieses Nakshatra nichts darüber aus, ob man sein Ego (Ahamkara) in der Welt zurücklassen kann, wenn man sich mit der göttlichen Ebene im Bewusstsein verbinden möchte.
Ein Extrembeispiel für die Mondposition in diesem Nakshatra ist Adolf Hitler. Viele Jahre schien er in der Tat „unbesiegbar“, doch der Umstand, dass er ganz offensichtlich nicht mit der spirituellen Ebene verbunden war, sondern an einem bizarren „Messiaskomplex“ litt (wie man seine Charakterstörung in der Freud’schen Psychoanalyse alter Schule bezeichnen würde) und deshalb die Massen mit sich reißen konnte, brachte ihn schlussendlich (und glücklicherweise) zu Fall, und mit ihm die halbe Welt.
Weitere Horoskopbeispiele mit Mond in Purva Ashadha sind der Flugzeugkonstrukteur Claude Dornier, der das erste Flugzeug komplett aus Metall erbaute und damit vor 100 Jahren neue Standards in der Luftfahrttechnik setzte, die in den beiden folgenden Weltkriegen die Kriegstechnik entscheidend beeinflussen sollten. Außerdem wurde die Schauspielerin Kim Basinger mit dem Mond in dieser Konstellation geboren, die von ihrem Typ her gut in die Rolle einer Meerjungfrau (ein weibliches Fabelwesen, eine Venus des Wassers) passen würde und vor einigen Jahren tatsächlich in dieser Rolle in einem Film mitspielte.