Zwei Wassermänner und die Welt der Sterne

Gestern war der 127. Geburtstag des britischen Astrologen Charles E. O. Carter  –  und meines Großvaters mütterlicherseits. Beide wurden am gleichen Tag im gleichen Jahr geboren, allerdings in unterschiedlichen Ländern und sozialen Zusammenhängen. Was beiden gemeinsam war: die Liebe zu den Sternen, zur Astrologie und Astronomie.

Opa und Carter

Mein Großvater kam in einem kleinen Dorf in Süddeutschland zur Welt, konnte nur sechs Jahre lang die Volksschule besuchen und musste dann schauen, wie er im Leben weiterkommt. Viel weiß ich nicht über ihn, außer, dass er sich schon in jungen Jahren autodidaktisch mit Astronomie beschäftigte. Im 1. Weltkrieg war er Soldat, und in einer Nacht in Frankreich muss seine Truppe wohl vom rechten Weg abgekommen sein. Er führte sie wieder zurück zum Lager durch seine Kenntnis der Sternbilder. Er konnte an Land navigieren wie früher die Seefahrer auf dem Meer. Vielleicht war das zu der Zeit, als sich seine beiden Alterspunkte 1915 im Widder nahe dem Talpunkt des 5. Hauses kreuzten. Wenn ich mich recht erinnere, kam er in französische Gefangenschaft, und obwohl er nie Französisch auf der Schule lernte (das Unterrichtsfach gab es auf seiner Dorfschule nicht) konnte er sich mit den Franzosen unterhalten. Wahrscheinlich hatte er sich das zuvor auch autodidaktisch beigebracht. Er sprach auch ein wenig Italienisch. Er war durch und durch ein Autodidakt.

Südkurier-Artikel über Opa

Südkurier-Artikel über Opa

Nach dem Krieg heiratete er eine Frau, die in einem anderen Dorf einen Bauernhof hatte, auf dem ein Mann fehlte. Auf andere Art war ein Bestreiten des Lebensunterhalts damals offenbar nicht möglich, denn eine Liebesheirat war es den Erzählungen meiner Mutter nach nicht. Er haderte zeitlebens damit, „nur“ Landwirt zu sein. Er hätte lieber studiert, Astronomie natürlich, und stand sogar einige Zeit in Korrespondenz mit einem Professor der Universität Heidelberg. Leider warfen seine Kinder, meine Tanten und Onkel, diesen Briefwechsel nach seinem Tod weg. Erhalten blieb mir nur ein Zeitungsausschnitt über das „Astronomische Rechengenie“, das Anfang der 60er Jahre die astronomischen und geographischen Daten für eine kleine Sternwarte in Todtmoos berechnete.

Opas astronomische Notizen

Opas astronomische Notizen

Ich lernte meinen Opa noch kennen. Er war schon sehr alt, bei meiner Geburt 80 Jahre. Ich war stolz darauf, so einen schlauen Opa zu haben und brachte ihm gerne eine im Kachelofen vorgewärmte Banane. Er starb kurz nach seinem 86. Geburtstag, eine Woche, bevor ich sechs Jahre alt wurde. In späteren Jahren durchforstete ich während meiner Sommerferien auf dem Bauernhof den Speicher und rettete ein paar seiner Notizhefte. Im Krieg stibizte mein Opa meist die Schulhefte seiner Kinder. Wenn da noch ein paar Seiten unbeschrieben waren, füllte er sie mit seinen Berechnungen und Notizen. Um sie lesen zu können, musste ich die alte Handschrift lernen. Ich brachte sie mir autodidaktisch selbst bei. Im Keller standen noch die Überreste seines Fotolabors: er entwickelte dort seine Fotografien in der selbst gebauten Dunkelkammer. Brachte er sich auch alles autodidaktisch bei.

Opa und ich

Als Teenager wurde ich oft mit ihm verglichen: „ganz der Nene“ (so nennt man in dieser Region den Großvater). Ganz der Nene war man in meiner Familie, wenn man eigensinnig, schlau und wortgewandt war und ständig Neues und Unbekanntes lernen wollte, dabei ganz in seinen Studien versinkend. Deshalb glaubte ich all die Jahre, ebenfalls ein Wassermann zu sein. Erst als ich mit Hilfe einer Ephemeride mein Horoskop berechnete stand fest, dass ich eine ganz knappe Fische-Sonne habe.

Opas Ephemeriden

Opas Ephemeriden

In den 1920er Jahren, vermutlich als der Alterspunkt durch das Zeichen Stier lief, begann mein Opa, sich zusätzlich mit der Astrologie zu beschäftigen. Als Hobbyastronom hielt er offenbar nichts von Tierkreiszeichen, sondern er arbeitete mit Sternbildern. Sein einziger mir überlieferter Deutungstext begann mit den Worten „Wir gehen einer düsteren Zeit entgegen, das Strafgericht ist nahe…“ Den Rest kann man sich denken, und ich habe mir bis heute nicht die Mühe gemacht, seine Sauklaue weiter zu entziffern (selbst meine Mutter hat damit Schwierigkeiten). Die große Leidenschaft meines Opas war das Wissenschaftliche, die Astronomie, weniger das, was Sinn macht und gibt. Da zeigt sich der große Vorteil des Tierkreiszeichens Fische, das sich mit dem Augenscheinlichen nicht zufrieden gibt.

Birgit Radix plus Asteria

Birgit Radix plus Asteria

Als ich mit 18 Jahren begann, mich mit Astrologie zu beschäftigen, wurde das in meiner Familie nicht belächelt. Im Gegenteil. Ich setzte eine Familien-Tradition fort, eben „ganz der Nene“. Vergleicht man unsere Horoskope, fällt auf, dass seine Horizontachse auf meine Mondknotenachse fällt, sein Aszendent auf meinen absteigenden Mondknoten. Dort liegt auch mein Asteroid Asteria, während seine Asteria auf meiner Radix-Sonne liegt. Die Meridianachsen sind um 180° vertauscht.

Opa Radix plus Asteria

Opa Radix plus Asteria

Vor etwa 20 Jahren kaufte ich mir das Buch „Astrologische Direktionen“ von Charles E. O. Carter. Es dauerte weitere drei oder vier Jahre, bis ich mir das darin abgebildete Horoskop des Autors näher anschaute und entdeckte, dass er ein astrologischer Zwilling meines Opas ist! Carter hatte den Vorzug, in eine reiche Familie geboren zu werden, eine gute Schulbildung zu erhalten und ein Studium abschließen zu können. Er war eine wichtige Einflussgröße in der astrologischen Szene Großbritanniens, der eine Brücke schlagen konnte zwischen Autoren der viktorianischen und der modernen Zeit. Die Konstellation des Astrologen bzw. Astronomen sehe ich in der Sonne/Merkur-Konjunktion im Quadrat zu Jupiter und im Trigon zu Uranus, der bei Carter im Schatten des Aszendenten steht, bei meinem Opa jedoch vor der 12. Hausspitze.

Opa tropisches Rashi D1

Opa tropisches Rashi

Die indischen Horoskope offenbaren schnell den wesentlichen Unterschied, der durch die unterschiedlichen Aszendenten entsteht. Bei meinem Opa liegen aufgrund des Aszendenten im Zeichen Skorpion fünf Planeten im Wassermann im 4. Haus, darunter Lagnesh und gleichzeitiger Atmakaraka Mars in Sandhi-Position (Zeichengrenze). Sie zeigen einerseits seine ständige innere Unzufriedenheit wie auch das sich Angebundenfühlen an ein Haus und eine Familie. Lieber wäre er jemand Besonderer in der Öffentlichkeit gewesen (Rahu in Löwe im 10. Haus). Durch Carters Waage-AC rutschen diese Planeten in das 5. Haus, was eine gute Bildung verspricht, ein großer Fundus positiven Karmas (im 5. Haus liegt das Purva Punya, das positive Guthaben aus vergangenen Leben), der durch das Leben tragen kann. Mars im 6. Haus kann das tun, was ihm am besten liegt: sich mit Gegnern auseinandersetzen und Probleme bewältigen. Bei meinem Opa war dieser Mars offensichtlich unzufrieden mit seiner Situation und ließ dies seine Familie spüren.

Opas AC-Berechnung

Opas AC-Berechnung

Mein Großvater starb am 10. Februar 1973 wenige Tage nach seinem 86. Geburtstag. Transit-Ketu hatte soeben Saturn überlaufen, den Herrscher des aktuellen Maha Dashas. Es lief ein Saturn/Venus/Mond-Dasha. Saturn und Venus stehen in einem 6/8-Verhältnis zueinander und zeigen somit Veränderungen und Krisen an, wobei Venus als Herrscherin von 7 gleichzeitig Maraka ist, ein todesbezüglicher Horoskopfaktor. Der Mond befindet sich im Zeichen des AC-Herrschers und Atmakaraka Mars, nimmt damit auf den Körper und das Selbst bezug.

Carter tropisches Rashi D1

Carter tropisches Rashi

Charles E. O. Carter starb am 4. Oktober 1968 im Alter von 81 Jahren. Transit-Uranus hatte soeben in sein AC-Zeichen Waage gewechselt. Es lief ein Saturn/Rahu/Jupiter-Dasha. Saturn/Rahu ist eigentlich immer ein schwieriges Dasha, vor allem in gesundheitlicher Hinsicht. Es begann erst ein halbes Jahr zuvor, das hat die Physis in diesem hohen Alter wohl nicht mehr verkraftet. Rund fünf Wochen vor seinem Tod begann das Pratyantar-Dasha Jupiter, der im 2. Haus steht. Er ist somit für Carter Maraka, ein todesbezüglicher Planet.

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