„Feuer in der Seele“
„Wenn man wachsen will,
dann muss man sich in die Erde senken.“
Vincent van Gogh
Der Ausdruckswert der Farbe bestimmt die Malerei des Niederländers Vincent van Gogh. Sie ist für ihn ein Mittel, seiner persönlichen Sicht der Welt auf leidenschaftliche und expressive Art und Weise Ausdruck zu verleihen. Wer kennt nicht seine farbenprächtigen und lichtintensiven Bilder – Sternennacht, Sonnenblumen, Kirche von Auvers? Zu Lebzeiten konnte er nur sehr wenige seiner Bilder verkaufen und war stets auf die finanzielle Unterstützung durch seinen Bruder Theo angewiesen. Heute ist jedes seiner Gemälde Millionen wert.
In seinem kurzen Leben – van Gogh wurde nur 37 Jahre alt – schuf er über 800 Bilder, die Mehrzahl davon in seinen letzten zehn Lebensjahren. Doch sein Leben scheint zunächst ein einziger Misserfolg zu sein. Er war weder in der Lage zu heiraten und eine eigene Familie zu gründen, noch seinen Lebensunterhalt selbständig zu bestreiten. Als Sonderling und eigensinniger Mensch gelang es ihm nicht, dauerhafte Freundschaften zu schließen oder ständigen Kontakt zu anderen Menschen zu pflegen. In allem, was der Welt damals wichtig schien, versagte er: Beruf, Familie, gesellschaftliche Position. Wer sollte damals ahnen, dass er nach seinem Tod als ein Genie gefeiert werden würde?
Vincent van Gogh war aber nicht nur Künstler, er fühlte sich auch sehr zu Natur und Religion hingezogen. Ursprünglich wollte er Prediger werden und den Ärmsten der Armen das Evangelium verkünden. In seinen letzten Lebensjahren gelang es ihm schließlich, Kunst und Religion auf ganz individuelle Weise zu verbinden. In seinen Bildern können wir immer wieder Hinweise auf und auch Zugänge zu dem finden, was im Innersten alle Wesen verbindet. Sein Anliegen war es, „das Leben“ in den Dingen zu erfassen und zum Ausdruck zu bringen.
Die Familie van Gogh
Die direkten Vorfahren van Goghs – in erster Linie Pastoren, Theologen, aber auch Kunsthändler und Künstler – können bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgt werden. In seiner Ahnenreihe traten außerdem Fälle von Epilepsie und anderen „Geisteskrankheiten“ auf. So erkrankte eine Tante an Epilepsie, und van Goghs jüngste Schwester „verlor den Verstand“ und verbrachte ihr Leben in einer Nervenheilanstalt.
Die Eltern – der protestantische Pfarrer Theodorus van Gogh (1822-1885) und die Tochter eines Hofbuchbinders Anna Cornelia Carbentus (1819-1907) – heiraten im Jahre 1851. Der Vater Theodorus folgt seiner religiösen Berufung, muss sich aber aufgrund seiner mangelnden Begabung zum Prediger stets mit kleinen Gemeinden zufriedengeben. Seinen Gemeindemitgliedern erscheint er stets sanftmütig und voller Demut. Seine Familie, vor allem Vincent, erlebt ihn aber auch als starr- und eigensinnig, cholerisch-aufbrausend mit engstirnigen Ansichten. Die Mutter Anna Cornelia hingegen ist naturverbunden, sie hat einen gewissen Sinn für Kunst und auch ein gutes sprachliches Ausdrucksvermögen.
Das erste Kind des Ehepaares – Vincent Willem – kommt am 30. März 1852 als Totgeburt zur Welt. Dieser Schicksalsschlag bedeutet einen großen Schmerz für den Pastor und seine Frau. Doch auf den Tag genau ein Jahr später – am 30. März 1853 um 11.00 Uhr – schenkt Anna Cornelia einem zweiten Sohn das Leben, der nun denselben Namen erhält wie das erste, totgeborene Kind: Vincent Willem. Ein dunkler Start ins Leben im Schatten des toten Bruders.
Eine differenzierte Betrachtung des Alterspunktes sowie des Häuserhoroskopes weist auf eine mögliche exakte Geburtszeit von 11h03m30s Uhr hin, auf der die nachfolgenden Ausführungen basieren.
Die drei Horoskope
Schauen wir in Vincents Grundhoroskop, erkennen wir zunächst die viereckige Form des Aspektbildes, aber auch zwei Strichfiguren: Saturn an den Mond angehängt durch ein Quincunx und die losgelöste grüne Strich-Figur Sonne/Uranus/Neptun. Der Schwerpunkt liegt oben im Individualraum – allein im 10. Haus versammeln sich sieben Planeten. Bei den Aspektfarben überwiegen Grün und Rot – eine nervös-gespannte Bewusstseinshaltung, ständig auf der Suche, auf dem Sprung, mit dem Streben nach Individualität, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit.
Viele Aspektlinien laufen auf die Mond/Jupiter-Konjunktion am absteigenden Mondknoten im Schatten der 6. Häuserspitze zu – sie scheinen den Weg rückwärts in die Vergangenheit, zu den Vorfahren zu betonen. Die Mehrzahl der Planeten im Individualraum deuten auf eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Leben und dessen Aufgaben und Problemen. Es geht darum zu wissen, wer ich bin, wo ich stehe und wohin mein Weg mich führt. Bei dieser Vielzahl von Plane-ten im 10. Haus fühlt sich Vincent van Gogh zu etwas Besonderem berufen, zumal sich Sonne und Pluto hier finden. Doch die Sonne steht im eingeschlossenen Zeichen Widder, nur über Halbsextile mit Uranus und Neptun verbunden, und Pluto befindet sich am Talpunkt an der Zeichengrenze Widder/Stier. Es geht nicht um die Verwirklichung äußerer Erfolge. Auf die muss unter Umständen lange gewartet werden, oder sie bleiben ganz aus, was entsprechende Frustrationen erzeugen kann. Gefragt ist hier die innere Bemeisterung, die Meisterschaft der Seele, die durch den Talpunkt-Zugang zum Wesenszentrum geschehen kann.
Im Häuserhoroskop erscheint das Aspektbild komprimierter und reduzierter als im Radix, die Lebensmotivation wurde verändert (Dreieck und Strichfiguren). Die sieben Planeten im 10. Haus ballen sich zu einem großen Stellium zusammen. So macht sich die Umwelt nicht die Mühe, die Vielfalt der einzelnen Komponenten van Goghs in diesem Bereich differenzierter zu sehen, sondern sie wirft sie lieber in einen Topf (oder zwängt sie in ein Haus zusammen) und sieht in Vincent einfach entweder das Genie oder auch den Verrückten. Neptun ist im Häuserhoroskop losgelöst und weist damit auf Schwierigkeiten in Zusammenhang mit dem höchsten Liebesideal und dessen Umsetzung im Leben hin. So war Vincent denn auch wenig Glück in der Liebe beschieden, und er musste immer wieder erleben, dass seine Liebe von der Umwelt zurückgewiesen wurde.
Betrachten wir van Goghs Mondknotenhoroskop – das Abbild unserer Schattenpersönlichkeit bzw. die Summe unserer Lebenserfahrungen aus früheren Inkarnationen -, entdecken wir auch hier ein viereckiges Aspektbild mit Strichfiguren, das jedoch unten im 2. Haus und im Kollektiv-raum seinen Schwerpunkt hat. Beim Vergleich Mondknoten- und Grundhoroskop können wir den klassischen Entwicklungsweg der Individuation erkennen: wie ein Baum von den Wurzeln unten nach oben zur Baum-„Krone“ emporzuwachsen. Eine gewaltige Aufgabe für ein kurzes Leben, und als eine wichtige Wegmarkierung erscheint die Mondknotenlinie, an der sich sozusagen das Blatt wendet. Folgerichtig rückt der erste AP-Aspekt nach der Geburt Vincents den aufsteigenden Mondknoten in den Vordergrund mit einem Halbsextil sowohl im Radix als auch im Mondknotenhoroskop.
Nach Vincent kommen noch fünf weitere Kinder zur Welt. Vor allem mit dem vier Jahre jüngeren Bruder Theodorus, genannt Theo, verbindet Vincent sein Leben lang eine enge Freundschaft, die sich in einem regen Briefwechsel niederschlägt, dem wir heute tiefere Einblicke in sein Leben und Werk verdanken.
Nach Ende seiner Schulzeit beschließen die Eltern, Vincent als Lehrling in die Den Haager Filiale der Pariser Kunsthandlung Goupil & Cie. zu geben. Sie wurde von seinem gleichnamigen Onkel Vincent van Gogh begründet. Vincent hat dagegen nichts einzuwenden, weiß er doch selbst nicht so recht, wohin seine Berufung ihn führen könnte. Seine Zukunft ist ihm noch unklar, und er gehorcht den Anweisungen seiner Eltern. Der AP steht im Zeichen Jungfrau im 3. Haus im Trigon zu Saturn.
Vincent besucht in Den Haag viele Museen und lernt den Verkauf von Reproduktionen von Kunstwerken, die dem öffentlichen Geschmack der damaligen Zeit entsprechen und sich gut verkaufen lassen. Doch der Handel liegt ihm nicht so recht. Von seinem Wesen her ist er eher introvertiert, ein Träumer, der die Einsamkeit liebt und am liebsten stundenlang durch die Natur wandert und Pflanzen und Tiere beobachtet. Im Horoskop passt hierzu die sensitive Fische-Besetzung mit Venus/Mars und Neptun als höchststehende Planeten sowie der AC im Wasserzeichen Krebs. Gleichzeitig wird er von seinen Zeitgenossen aber auch als schwierig, eigensinnig und launenhaft charakterisiert, als ein kompromissloser Mensch mit einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein, das sich im Laufe der Jahre weiter ausprägen wird, ein Ausdruck der feurigen Widder-Sonne und der Mond/Jupiter-Konjunktion in Schütze, und natürlich auch des Schwerpunktes im Individualraum.
Mit 20 Jahren (Sommer 1873) wird Vincent in die Londoner Filiale der Kunsthandlung versetzt. Hier begegnet ihm die erste große Liebe in Ursula Loyer, der Tochter seiner Vermieterin. Diese Liebe wächst in ihm zunächst langsam, leise und unerkannt von seiner Umwelt (AP im 4. Haus im eingeschlossenen Zeichen Waage, Quincunx Saturn, Sextil Mond, Trigon Mondknoten), doch sein monatelanges, zaghaftes und schüchternes Sehnen wird schließlich beim AP-Sextil zu Jupiter, als Vincent sich endlich traut und seine große Liebe der Angebeteten offenbart, rigoros abgelehnt: Ursula ist bereits heimlich mit einem anderen verlobt.
Diese Zurückweisung, das Scheitern der ersten Liebe, trifft Vincent wie ein Schlag und stürzt ihn in eine schwere Krise. Es fällt ihm offensichtlich schwer zu akzeptieren, dass Ursula bzw. das Schicksal andere Pläne und Absichten hat. Er reagiert auf diese schmerzliche Erfahrung mit Rückzug und wachsendem Desinteresse an seiner Arbeit im Kunsthandel und wirft sich nun ganz und gar, wie es seinem leidenschaftlichen Temperament entspricht, in die Welt der Religion und des Geistes, sucht nach Antworten und dem Sinn des Lebens in der Bibel und anderen religiösen Schriften.
Der Mystiker
Die nun folgende, durch zahlreiche seelische Krisen geprägte Zeit, die Vincent van Gogh zu überwinden sucht durch ein „Trachten nach der Arbeit für Christus“, durch ein Sichverzehren für religiöse Ideale, charakterisiert der AP durch den Eintritt in das Stirb- und Werdezeichen Skorpion am Talpunkt 4. Hier erwarten ihn zunächst die Oppositionen zu den geistigen Planeten Pluto und Uranus (TP 10), deren geistigen Energien Vincent allerdings eher ausgeliefert ist, da er sie noch nicht bewusst steuern kann. Er entwickelt eine religiöse Berufung, die fast schon in eine mystische Obsession eskaliert und in seiner Umwelt nur auf Befremden und Ablehnung stößt (Talpunktstellung).
Vincent wird im Verlauf der Zeit immer depressiver und vernachlässigt die Arbeit in der Kunsthandlung: Er fällt bei Kunden durch unhöfliches Benehmen auf und bleibt der Arbeit fern, ohne Urlaub erhalten zu haben. Im Frühjahr 1876 (AP 4. Haus in Skorpion Trigon Neptun) wird ihm schließlich die Kündigung nahegelegt, und er willigt gerne ein. Die geistige Oberflächlichkeit des Bürgertums ist ihm schon lang zur Last geworden. Vincent will fortan als Hilfslehrer und später als Laienprediger arbeiten.
Hinweise auf die tief empfundene Berufung als Prediger können wir u.a. in der Merkur/Pluto-Konjunktion im Schatten der 3. Häuserspitze des Mondknotenhoroskops erkennen. Hier scheint sie eine altgewohnte Fähigkeit zu symbolisieren. Doch das ist der Schatten, die Vergangenheit, sozusagen der Weg rückwärts. Im Radix steht die Konjunktion jetzt zwar im 10. Haus der Berufung und des öffentlichen Wirkens, jedoch am Talpunkt an der Zeichengrenze Widder/Stier. Dieser Weg erfordert eine lange innere Entwicklung und führt durch den Talpunkt nur über das innere Wesenszentrum zum Ziel. Als Prediger ist Vincent denn – wie schon sein Vater – denkbar ungeeignet: er gerät ins Stottern, wenn er vor einer Versammlung eine Predigt halten soll. Die Umwelt akzeptiert seine Wahl auch nicht und hindert ihn immer wieder an der Erfüllung seines Wunsches (Talpunkt-Planeten und eingeschlossenes Zeichen mit Sonne und Merkur im 10. Haus).
Plutonisch-skorpionische Erfahrungen sind oft total und erscheinen der Außenwelt als verrückt oder überzogen. Nicht anders ergeht es Vincent bei der AP-Opposition zu Pluto: Er will sich von allen überflüssigen irdischen Gütern befreien, von allem, was ihn von den Armen trennt, deren Freund und guter Hirte er werden will. Vincent fühlt sich als Geistlicher berufen und beginnt schließlich 1878, sich auf ein Studium der Theologie vorzubereiten. Er besucht eine Evangelistenschule, wird dort aber als ungeeignet für den Beruf des Predigers gehalten und abgelehnt. Der AP ist nun in den Schützen eingetreten und bildet ein Quincunx zu Pluto am TP 10. Das lang ersehnte Ziel, die innere Berufung rückt wieder weit weg und erscheint fast unerreichbar.
Doch trotz dieser Niederlage – es besteht für van Gogh nun kaum eine Möglichkeit, als Prediger arbeiten und seinen Lebensunterhalt damit bestreiten zu können – reist er auf eigene Faust in die Borinage, ein trostloses belgisches Kohlerevier. Hier lebt er freiwillig in äußerster Armut, liest den Bergarbeitern aus der Bibel vor und hilft den Armen und Kranken, wo er nur kann. Seine Familie zieht sich in dieser Zeit von ihm zurück. Sie hat kein Verständnis für seinen inbrünstigen Glauben, der von ihm wahrhaft christliches Handeln fordert.
Der 6. Strahl – Hingabe und Idealismus
Van Goghs fast selbstzerstörerisches Mitleid, sein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit und sein Wunsch zu helfen spiegeln sich im Zeichen Fische am MC wider. In diesem Zeichen steht auch Neptun, das höhere Liebesideal. Der Aszendent Krebs weist ebenfalls auf ein ausgeprägtes soziales Verantwortungsgefühl hin.
Betrachten wir das Horoskop vor dem Hintergrund der sieben Strahlen nach Alice Bailey, so sehen wir eine Betonung des 6. Strahls des Idealismus und der Hingabe. Sonne und Mond stehen in Feuerzeichen, und die Hauptachsen befinden sich in kardinal-veränderlichen Zeichen; Mars und Neptun, die diesem Strahl zugeordnet werden, stehen dem MC am nächsten. Den 6. Strahl charakterisiert die Fähigkeit zur bedingungslosen Hingabe an ein Ideal, zu Selbstaufopferung und auch zum Streben nach dem Höheren, Größeren und Idealeren. Er kann aber auch Hinweis sein auf die Neigung zu Fanatismus und Bigotterie. Der 6. Strahl wird auch der Strahl des Heiligen und des Predigers genannt, und er prägte das nun zu Ende gehende Fischezeitalter und die christliche Religion.
Wir können die „mystisch-religiöse“ Seite van Goghs ebenfalls in der losgelösten Sonnenfigur erkennen. Die Sonne bildet zu Uranus und Neptun jeweils ein einseitiges Halbsextil und ist ansonsten vom restlichen Aspektbild losgelöst. Dies lässt Vincents Selbstbewusstsein eher von geistigen bzw. religiösen Idealen oder Über-Ich-Formen fremdbestimmt erscheinen denn als ein autonomes Ich. Die Sonnenfigur erscheint wie ein Vogel, weit oben am Himmel in der Luft schwebend, losgelöst von allem, das Bodenhaftung verleihen könnte. Andererseits ist diese Sonne im eingeschlossenen Zeichen Widder auch offen für geistige Inspirationen – vielleicht auch für ein Feuer, das im Inneren, in der Seele brennt, und mit dessen Funken er anderen Menschen den Weg erleuchten kann?
Vom Dunkel zum Licht
Eine verborgene Qualität des 6. Strahls klingt in dem Mantram „Das höchste Licht herrscht“ an. Der Begriff Licht ist für van Gogh zeitlebens von großer Bedeutung. Zunächst im religiösen Sinne empfindet er seinen Lebensweg als einen Gang aus der Finsternis hin zum Licht, von Dunkelheit, Depression und Leiden hin zum Hellen, zu Liebe, Frieden und Glück: „Vielleicht dauert gerade deshalb alles so lange, weil ich nach der Wurzel oder dem Ursprung vieler Dinge zugleich suche. So steht es mir im Herzen, es zu bilden wie ein Licht in der Finsternis.“
Diese Entwicklung finden wir auch in seiner Malerei. Herrschen in den ersten Jahren noch in seinen Bildern dunkle, erdig-braune Farben vor, entwickelt er in seinen letzten Lebensjahren in Südfrankreich und in Auvers eine lichtdurchflutete und farbenprächtige Malerei.
Der esoterische Saatgedanke des AC-Zeichens Krebs lautet: „Ich erbaue ein erleuchtetes Haus, um darin zu wohnen“. Es geht hier um den Entwicklungsweg von der persönlichen, ichhaften Mond-Liebe, dem Wunsch nach Geliebtwerdenwollen, hin zur überpersönlichen, geistigen Liebe, zur Liebe als einem Zustand oder einer inneren Haltung, die nicht darauf aus ist, zurückgeliebt zu werden. Interessant ist, dass diese Entwicklung über die Erfahrung von Einsamkeit im gegenüberliegenden Steinbock geschieht, das DC-Zeichen, dessen esoterischer Saatgedanke lautet: „Versunken bin ich in überirdischem Licht, doch diesem Licht wende ich den Rücken.“ Krebs/Steinbock – eine Licht-Achse!
Dass der erste Schritt hin zum erleuchteten Haus der Seele über Einsamkeit und Distanzierung von der Welt führt, deutet auch der aufsteigende Mondknoten in Vincents Horoskop an. Einerseits war es van Gogh immer ein großes Bedürfnis, wahrhaft echte und tiefe Freundschaften schließen zu können. Doch gerade seiner persönlichen Eigenheiten, seines schroffen Verhaltens und seiner derben Ausdrucksweise wegen, teilweise auch aufgrund seines Stolzes misslang ihm die Erfüllung dieses Wunsches (absteigender Mondknoten im 5. Haus, Venus/Mars im Quadrat zur Mondknoten-Linie, Saturn im Schatten 11).
Der aufsteigende Mondknoten steht andererseits schon so nah dem Bereich des 12. Hauses, dass er auch darauf hinweisen könnte, sich nicht zu sehr in alltäglichen Verrichtungen zu verlieren, sondern sich zuzeiten auch mit dem (inneren) Kosmos zu verbinden, in die Stille und Einsamkeit zu gehen, um von dort neue Nahrung und Energie für den Alltag und die Arbeit (6. Haus) zu gewinnen.
Die Vielzahl von Planeten im 10. Haus deuten ebenfalls auf Phasen der Isolation und Einsamkeit, um dort in sich selbst das innere Licht zu finden. Das 10. Haus hat eine natürliche Analogie zum Zeichen Steinbock. Die Unten-Lagerung des Aspektbildes im Mondknotenhoroskop zeigt die alte Neigung, sich auf ein Kollektiv abzustützen und dort Wahrheit und Licht zu suchen. Nun geht es im Radix darum, eigene Entscheidungen zu treffen, den eigenen Weg zu suchen und zu gehen, auch wenn das Kollektiv und die Familie damit nicht einverstanden sind. Im Leben van Goghs können wir dies gut verfolgen. Von seiner Umwelt und auch seiner Familie wurde er nicht verstanden und erkannt. Unterstützung fand er eigentlich nur in der Freundschaft zu seinem Bruder Theo.
Der Künstler
Mit der Zeit erkennt Vincent, dass in der Borinage und seinem sozial-religiösen Engagement nicht seine wirkliche Berufung liegt. Er beginnt mit Skizzen von Bergarbeitern und interessiert sich verstärkt für die Malerei. Um 1880 – mit rund 27 Jahren – steht für ihn fest, dass er Künstler werden will. Im Oktober geht er nach Brüssel und beginnt ein Studium an der Kunstakademie. Der AP steht im Aspekt zu Sonne/Neptun in Schütze am Talpunkt 5, der in fixen Häusern oft „lebenswendende“ Entscheidungen markiert, bei denen die eigentliche Seelenabsicht, d.h. Kräfte aus dem innersten Kreis, zum Vorschein kommen können.
Van Gogh muss ganz von vorne anfangen und sich die Malerei mühsam erarbeiten. Zunächst eignet er sich die Grundlagen des Zeichnens an. Finanziell wird er von seinem Bruder Theo unterstützt, der in der Pariser Filiale der Kunsthandlung Goupil & Cie. arbeitet, der Vincent einige Jahre zuvor den Rücken zugewendet hatte. Theo ermuntert seinen Bruder immer wieder und hilft ihm durch manch schwere Zeit.
Nach dem AP-Quincunx zu Saturn erlebt Vincent eine zweite unglückliche Liebe. Im Sommer 1881 trifft er seine verwitwete Cousine Kee und verliebt sich in sie. Doch wieder stoßen seine Gefühle auf Ablehnung und Zurückweisung: „Nie, nein, nimmer“ soll ihre Antwort gewesen sein. Diesmal hat Vincent aber den festen Willen, Kee zu erobern. „Sie und keine andere“, berichtet er enthusiastisch seinem Bruder Theo. Er schreibt an Kee Briefe, die jedoch ungeöffnet zurückgeschickt werden; er besucht sie bei ihrer Familie, doch sie lässt sich stets verleugnen. Schließlich „beweist“ er seinem verständnislosen Vater seine leidenschaftliche Liebe, indem er seine Hand in eine Kerzenflamme hält.
Allmählich sieht Vincent jedoch ein, dass sein Werben und seine Beharrlichkeit vergebens sind, wieder erlebt er eine Niederlage wie schon beim vorhergehenden AP-Quincunx zu Saturn in seiner ersten Liebe zu Ursula in London. Damals flüchtete er sich in die Mystik, sozusagen in „Gottes Schoß“. Mittlerweile ist ihm bewusst, dass dies keine Lösung ist, er sehnt sich nach der Gegenwart eines lieben Menschen, nach einer eigenen Familie, vielleicht sogar nach Kindern. Seinem Bruder Theo schreibt er im Dezember 1881 „… ich kann nicht anders, diese verdammte Welt ist mir zu kalt, ich suche mir eine Frau, ich kann, ich mag, ich will nicht leben ohne Liebe. Ich bin nur ein Mensch, und zwar ein Mensch mit Leidenschaften, ich muss zu einer Frau, sonst erfriere ich oder versteinere ich …“
Hier kündigt sich der AP-Übergang über die Mond/Jupiter-Konjunktion im Schatten der 6. Häuserspitze an. Tatsächlich begegnet Vincent im Winter 1881/82 einer Frau, die ihn nicht ablehnt. Christine – Vincent nennt sie Sien – stammt aus armen Verhältnissen, wurde von ihrem Geliebten schwanger sitzengelassen und muss nun als Prostituierte ihren Lebensunterhalt verdienen. Im Frühjahr 1882 ziehen die zwei zusammen (AP Konjunktion Mond, Opposition Mondknoten). Seinem Bruder schreibt er „… was ich für Sien empfinde: Ich habe ein Gefühl, zu Hause zu sein, wenn ich mit ihr zusammen bin, ein Gefühl, als brächte sie meinen ‘eigenen Herd’ mit, ein Gefühl, dass wir zusammengewachsen sind (…) – was zwischen Sien und mir ist, ist wirklich; es ist kein Traum, es ist die Realität.“ Van Goghs Familie ist entsetzt über diesen Abstieg zu den niedersten Gesellschaftsschichten. Sein Vater, obwohl selbst Pastor, kritisiert seinen Sohn mit den Worten, es sei etwas Unsittliches in einer Verbindung mit einer Frau aus geringerem Stand.
„Farbe ist Leben!“
Im Sommer 1882 – exakt während des AP-Übergangs über Jupiter und das Galaktische Zentrum – „entdeckt“ Vincent für sich das Malen mit Ölfarben. Zuvor beschäftigte er sich vor allem mit Zeichnungen, doch nun stellt ihm Bruder Theo das Geld für teure Ölfarben zur Verfügung. Musste er sich die Techniken des Zeichnens mühsam erarbeiten – das Malen mit Farben liegt ihm im Blut, und er findet auf Anhieb ohne jedes Studium schnell seinen ureigenen Stil: den dicken Farbauftrag. Seine Vorräte an Ölfarben sind dadurch allerdings auch immer schnell aufgebraucht.
Jupiter ist ja Symbol für unsere Wahrnehmungsfähigkeit, für unsere fünf (oder mehr?) Sinne, speziell für das Sehen, und demgemäß auch das Wahrnehmen von Farben und deren feinste Abstufungen und Nuancen. Außerdem symbolisiert er den Sinn für richtige Proportionen. Mit der Mond/Jupiter-Konjunktion wird van Gogh von allem, was er „sieht“, gefühlsmäßig unmittelbar angesprochen. Venus/Mars im Quadrat steuern eine ästhetische Komponente und Arbeitseinsatz bei. Die Ergebnisse fallen nicht in den Schoß, sondern müssen hart erarbeitet werden (Quadrat). Das Trigon zu Merkur weist auf eine verbale und fruchtbringende (blauer Aspekt) Auseinandersetzung mit dem Mond/Jupiter-Thema hin. Dies lässt sich z.B. im regen Briefwechsel mit Bruder Theo nachlesen, der sich zu einem großen Teil mit Kunst, unterschiedlichen Malweisen und dem Entstehen der Bilder van Goghs beschäftigt. Hier reflektiert der Maler mit anschaulichen Worten seine Kunst. Das Galaktische Zentrum schließlich ist ein Hinweis auf geistige Dimensionen in van Goghs künstlerischer Fähigkeit. Er ist durch seine Malerei verbunden mit dem alles vereinigenden Zentrum in unserem Kosmos und bringt durch die Malerei individuelle Aspekte dieses höchsten Zentrums zum Ausdruck. Jede Ichhaftigkeit, wohl auch materieller Erfolg, stünden dem im Wege …
Seinem Bruder Theo schreibt Vincent: „Ich will Zeichnungen machen, die einige Menschen bewegen und rühren.“ Er arbeitet nun hart und eignet sich im Verlauf eines Jahres verschiedene Mal- und Zeichentechniken an (AP Quadrat Venus/Mars-Konjunktion), um später zu schauen, ob er bei einem Verlag oder einer Zeitschrift als Zeichner/Graphiker unterkommen kann. Leider finden sich für seine Bilder und Zeichnungen keine Käufer, Vincents Schulden wachsen, schließlich muss er jetzt nicht nur für sich selbst, sondern auch für Sien und deren Kinder sorgen.
Wenn van Gogh auch in manchen Dingen seiner Umwelt überspannt oder wirklichkeitsfremd erscheint, so zeichnet ihn dennoch eine Art realistische Hellsichtigkeit aus, mit der er oft den Nagel auf den Kopf trifft, was sich vielleicht auf die losgelöste Sonnenfigur zurückführen lässt und auf Mond/Jupiter am absteigenden Mondknoten. Ihm wird allmählich bewusst, dass er von seiner Kunst nicht wird leben können und er auf Dauer auch keine Familie ernähren kann. Er selbst rechnet aufgrund seines Lebenswandels nur noch mit einer Lebenserwartung von sechs bis zehn Jahren (sieben werden es tatsächlich sein), und diese verbleibende Zeit will er nutzen: „In diesen Jahren muss etwas getan werden; dieser Gedanke ist mein Leitfaden, wenn ich Pläne für meine Arbeit mache.“
Theo macht seinem Bruder Vincent klar, dass die Verbindung zu Sien für seine Arbeit eher hinderlich denn förderlich sei. Nach langen Überlegungen entschließen sich Sien und Vincent zur Trennung. Ihm fällt der Abschied von seinem „Atelier mit Wiege und Kinderstühlchen“ schwer. Dies war seine Familie, sein „erleuchtetes Haus“ (AC Krebs). Der AP tritt in das Zeichen Steinbock im 6. Haus ein und bildet gleichzeitig ein Trigon zu Pluto. Vincent flüchtet für drei Monate auf das Land in die düstere Einöde von Drente im Norden der Niederlande. Anschließend zieht er zu seinen Eltern, die ihm in einem dunklen Schuppen ein kleines Atelier zur Verfügung stellen.
In dem kleinen Ort Nuenen allerdings, in dem sein Vater mittlerweile eine kleine protestantische Gemeinde betreut, wird Vincent mit großem Misstrauen und teilweiser Ablehnung beobachtet. Viele Bewohner haben Angst vor ihm oder sind entsetzt ob seines unkonventionellen Verhaltens, seiner eigenartigen, bewusst armseligen Kleidung, seiner für die damalige Gesellschaft verworrenen Ansichten und seines skandalösen Verhaltens. Doch je älter und reifer er nun wird, um so mehr wirft er die Hüllen der Erziehung und Ausbildung, seines Milieus und der Gesellschaft ab und nähert sich seinem eigentlichen Wesen, dem wahren Ich. Doch Selbst-Verwirklichung (10. Haus) ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit Glück und äußerem Erfolg. Die Umwelt (das Kollektiv) versteht ihn nicht und reagiert mit Ablehnung.
Paris
Im Winter 1885/86 befreit Vincent van Gogh sich aus dem engen Milieu und geht nach Paris, um bei seinem Bruder Theo zu leben, der immer noch in der Kunsthandlung Goupil & Cie. arbeitet. Der Radix-AP erreicht im Steinbock im 6. Haus den Kreuzungspunkt mit dem Mondknoten-AP und markiert damit einen schicksalhaften Zeitraum. Sowohl im Radix als auch im Mondknotenhoroskop bildet der AP ein Quadrat zur Sonne und scheint damit die Extreme der beiden Horoskope – die Untenlagerung im MKH (die Nachtseite) und die Obenlagerung im Radix (die Taghälfte) verbinden zu wollen. In Paris begegnet van Gogh nun zahlreichen Künstlern, in erster Linie natürlich Malern, deren Ansichten und Maltechniken seine eigene Arbeit bereichern. Er lernt Toulouse-Lautrec kennen, Claude Monet, Auguste Renoir, Pissarro, Degas, Signac, Gauguin und viele mehr.
Selbstverständlich wandelt sich in dieser neuen, anregenden Umgebung auch van Goghs Malstil. In den Niederlanden zeichneten sich seine Werke durch eine vorwiegend dunkle Farbgebung aus, Braun-, Ocker- und Gelbtöne herrschen vor. Oft strahlen diese Bilder etwas Bedrückendes, Dunk-les, Trauriges aus. In Paris nun bedient sich van Gogh hellerer Farben, überhaupt wird Farbe für ihn allmählich zum Wesentlichen in einer Bild-Komposition. Durch Farbe will er zum Ausdruck bringen, was ihn bewegt, durch Farbe will er einen Übergang von Dunkelheit zum Licht, von der Depression zur Lebensfreude darstellen.
Vincent träumt auch von einer Gemeinschaft von Künstlern, die sich u.a. finanziell unterstützen soll, sozusagen ein „Künstlerkollektiv“. Er möchte so das materielle Dasein der Künstler sichern, so dass genügend Material (Farben und Leinwand) zur Verfügung steht und die Künstler einigermaßen von ihrer Kunst leben könnten und nicht erst die Käufer bzw. Händler von der Malerei profitieren. Er leidet darunter, nicht von seiner Kunst leben zu können und von seinem Bruder Theo finanziell abhängig zu sein. Vincent organisiert in Paris gemeinsam mit seinen Kunstkameraden Ausstellungen, um die Öffentlichkeit auf die neuen Strömungen in der Malerei aufmerksam zu machen. Doch all seine Bemühungen, sich mit Menschen zusammenzutun, die ähnliche Ziele verfolgen wie er (aufsteigender Mondknoten im 11. Haus), scheitern und enden in Streit und Zorn. Durch seine ungesellige, eigensinnige, streitlustige und zu offene Art stößt er die Menschen vor den Kopf (absteigender Mondknoten in 5 im Quadrat zu Mars, Saturn im Schatten der 11. Häuserspitze).
Allmählich denkt Vincent daran, in den Süden zu ziehen, um dort unter anderen Lichtverhältnissen mehr in der Natur malen zu können. Sein Künstler-Freund Toulouse-Lautrec empfiehlt ihm Arles, und im Februar 1888 macht er sich auf den Weg dorthin. Im Mondknoten-Horoskop aspektiert der AP zu dieser Zeit vor der 7. Häuserspitze die Venus/Mars-Konjunktion in Fische im Schatten des IC.
Arles – Symphonie aus Farben und Licht
Die ersten Monate in Arles sind für van Gogh eine Erholung vom kräftezehrenden Leben in Paris – übermäßiger Absinthgenuss, schlechte Ernährung und unzureichender Schlaf taten dort ein übriges. Van Gogh selbst erkennt, dass er in Paris sein Ziel nicht erreichen könne. Dazu brauche er Ruhe und Einsamkeit. Während er sich physisch und auch psychisch erholt, geht er oft mit seiner Staffelei in der Umgebung von Arles spazieren und malt verschiedene Landschaften oder Porträts von Einheimischen. Er schließt auch Bekanntschaft mit einigen anderen Malern, die sich ebenfalls hier niedergelassen haben.
In Arles kann er nun auch die Arbeiten und Denkansätze der großen, anerkannten Künstler der damaligen Zeit hinter sich lassen und angesichts der farbenprächtigen Natur der Stimme seiner eigenen Inspirationen folgen. Er erkennt wieder, wie nichtig eigentlich die endlosen Debatten über Kunstfragen sind. Die Menschen werden doch von ganz anderen Dingen in ihrem innersten Wesen berührt. Er denkt viel über sein Leben nach, über Sinn, Zweck und Richtung: „Da rollt die ewige Frage wieder auf: Ist das Leben in seiner Ganzheit für uns sichtbar, oder kennen wir vor dem Tode nur die eine Hälfte?“
Vincents Farbpalette ist jetzt von überwältigender Farbenpracht. Er hat die Finsternis überwunden, und im strahlend-hellen Licht des Südens bekommen alle Dinge einen neuen Aspekt, vielleicht auch einen neuen Sinn. In den kommenden Monaten gerät er in einen wahren Farben-, Licht- und Malrausch. Er bestellt bei seinem Bruder Theo Hunderte von Farbtuben und zehn Meter Leinwand. Er arbeitet wie ein Besessener, um das Licht in und um ihn herum, das er wahrnimmt, auf die Leinwand zu bannen. Die Arbeit ist für ihn Heilmittel gegen die Depressionen. Nur „wenn der Sturm im Innern zu arg wütet, trinke ich ein Glas über den Durst, um mich zu betäuben.“ Er träumt auch nicht mehr vom „wahren Leben“ mit Frau und Kind, er erkennt, dass ihm ein anderes Schicksal beschieden ist. Wir können da eine gewisse Resignation herausspüren, und dennoch hofft er, dass seine Mühen und sein Leiden nicht vergeblich sein werden: „Wir zahlen einen harten Preis dafür, dass wir ein Glied in der Kette der Künstler sind – wir zahlen mit unserer Gesundheit, mit unserer Jugend, mit unserer Freiheit, deren wir niemals froh werden (…) In der Zukunft wird es eine Kunst geben, die muss so schön, so jung sein, dass wir, auch wenn wir jetzt unsere Jugend opfern, nur an heiterer Ruhe gewinnen können.“
Um diesem Ziel entgegenzugehen, träumt van Gogh immer noch von einer Künstlervereinigung, der er schon den Namen „Atelier des Südens“ gegeben hat. Er mietet in Arles das „Gelbe Haus“ und bereitet alles vor. Vor seinem Einzug will er so viele Bilder wie nur möglich schaffen, um damit die Innenräume des Hauses zu dekorieren.
Während des Sommers 1888 – der AP durchwandert im Mondknotenhoroskop das Quadrat zu Mars und Trigon zu Merkur – malt van Gogh zahlreiche Bilder, deren Themen und Symbolik einen immer tieferen, manchmal fast kosmischen Gehalt aufweisen. So arbeitet er u.a. am Motiv des Sämanns, der den Samen auf den Äckern in die Erde streut. War es ihm in seiner „Prediger“-Phase noch Anliegen, „ein Sämann des Wortes“ zu sein, so verarbeitet er nun dieses tiefe Symbol in seinen Bildern. Auch die große, leuchtend-gelbe, strahlende und belebende Sonne taucht in seinen Bildern auf, sie scheint gleichsam in seinem (geistigen) Leben aufzugehen. Gelb – die lichtvollste Farbe – ist van Goghs Lieblingsfarbe und dem gemäß am häufigsten in seinen Bildern zu finden. Seine Selbstporträts aus dieser Zeit sind zugleich eine Selbstdarstellung: „Ich habe meine Persönlichkeit gesteigert und versucht, ihr den Charakter eines Priesters, eines schlichten Anbeters des ewigen Buddha zu geben.“
Vincent malt nicht mehr das, was von außen sichtbar ist, sondern die Eindrücke und Inspirationen, die die Dinge, Menschen und Landschaften in ihm hervorrufen. Die Farbe wird ihm zu einem regelrechten Universum, das unendliche Ausdrucksmöglichkeiten bietet. Ihm ist wichtig „die Liebe zweier Liebenden auszudrücken durch die Vermählung zweier Komplementärfarben … Die Hoffnung durch einen Stern … Die Leidenschaft eines Menschen durch einen leuchtenden Sonnenuntergang … Im Malen ist etwas Unendliches … in den Farben sind verborgene Dinge von Harmonie und Kontrast, Dinge, die durch sich selber wirken und die man durch kein anderes Medium ausdrücken kann.“
Der nächtliche Sternenhimmel übt eine besondere Faszination auf ihn aus: „Ich habe ein schreckliches Bedürfnis danach – soll ich das Wort sagen – nach Religion; dann gehe ich nachts hinaus ins Freie und male die Sterne …“ Im Mondknotenhoroskop finden wir die Aspektfigur Teleskop, gebildet durch Mondknoten, Pluto, Venus/Mars und Mond/Jupiter, die sich mit ihrer langen grünen, sensitiven Seite (Mondknoten Quincunx Mond/Jupiter) der oberen Horoskophälfte entgegenneigt, gleichsam in die Unendlichkeit des Himmels oben blickt.
Im Herbst kommt Gauguin nach Arles – van Goghs Idee der Künstlergemeinschaft rückt in greifbare Nähe. Doch während der vergangenen Jahre der Einsamkeit, der Suche und des intensiven Schaffens hat sich dieser Wunschtraum in ihm so gesteigert und sind seine Hoffnungen derart ins Unermessliche gestiegen, dass die Wohn- und Arbeitsgemeinschaft der beiden unterschiedlichen Männer zwangsläufig in einer Enttäuschung, für van Gogh sogar in einer Katastrophe enden muss.
Van Gogh versucht, sich dem „großen“ Gauguin unterzuordnen, ihn um Rat und nach seiner Meinung über bestimmte Techniken und Motive zu befragen. Er geht bis an die äußerste Grenze, um Gauguin zum Bleiben zu bewegen, verleugnet dabei aber sich selbst und sein malerisches Genie. So kommt es zwischen den beiden immer wieder zu Streit und Auseinandersetzungen. Vincent ist nicht in der Lage, die Unvereinbarkeit ihrer Charaktere einzusehen, er kann sich das Scheitern seines vielleicht letzten großen Traumes nicht eingestehen. Als Gauguin aufgrund der ständigen Streitereien abreisen will, erleidet Vincent seine erste schwere Nervenkrise: in einem Anfall von „Raserei“ und Ohnmacht schneidet er sich ein Stück seines rechten Ohres ab (Dezember 1888). Er wird ins Hospital von Arles gebracht.
Der AP steht im Schatten des DC – der DU-Punkt im Horoskop – im Halbsextil zum Mond, unserem Bedürfnis nach Liebe, Kontakt und Zuwendung. Im Mondknotenhoroskop erreicht der AP die Konjunktion zu Jupiter, der in Konjunktion mit dem Mond steht. Zeiten vor kardinalen Häuserspitzen gehen oft mit extremen Anstrengungen und daraus resultierenden Spannungen, Erschöpfungs- und Angstzuständen einher. Auch van Gogh muss seine letzten Reserven mobilisieren, um den Gipfel des DC erreichen zu können. Er arbeitet wie ein Besessener bis zur totalen Erschöpfung. Allerdings erlaubt sein geschwächter Gesundheitszustand dies nicht, er bricht physisch und geistig zusammen.
Saint-Remy und Auvers
Vincent erholt sich recht schnell wieder von diesem möglicherweise epileptischen Anfall (in der damaligen Zeit wurden solche unverständlich erscheinenden Geschehnisse schnell mit dem Begriff „schizophren“ klassifiziert). Er kann sich an nichts erinnern, was am Tag von Gauguins Abreise geschah. Doch die Einwohner von Arles haben Angst vor dem unberechenbaren Verrückten und fordern seine Internierung. Nach weiteren Anfällen geht Vincent freiwillig im Frühjahr 1889 in die Anstalt von Saint-Remy. Bald beginnt er hier wieder zu malen. Es entstehen nun viele der bekanntesten Bilder van Goghs. Innerlich jedoch nimmt die Resignation zu.
Vincent verliert allmählich Kontakt und Zugang zu seiner Umwelt. Anstaltsmauern umgeben ihn, vermitteln aber auch Ruhe und eine Art Sicherheit. Saturn steht oben im Horoskop vor der 11. Häuserspitze, nur über ein einseitiges Quincunx schwach an das Aspektbild angehängt, ein Hinweis auf Probleme in Zusammenhang mit dem Körperbewusstsein. Entsprechend findet van Gogh wenig bis keinen Zugang zu seinem inneren Sicherheits- und Abgrenzungsbedürfnis, er lebt ständig über seine physischen Ressourcen hinaus, überstrapaziert seine Körperenergien. Das Leben in Saint-Remy vermittelt jedoch Ruhe, Kontinuität und Schutz. Seinem Bruder Theo schreibt er: „Ich habe versucht, mich an den Gedanken zu gewöhnen, von neuem zu beginnen, aber zur Zeit ist das unmöglich. Ich fürchte, die Fähigkeit zu arbeiten, die jetzt zurückkommt, zu verlieren, falls ich zuviel unternehme und mir noch alle Verantwortung für ein Atelier auflade. So wünsche ich, provisorisch interniert zu werden, sowohl meiner eigenen Ruhe wegen als auch anderer wegen“.
Der AP hat mittlerweile den DC überschritten und steht im Quincunx zum Mondknoten. Im Mondknotenhoroskop erreicht er die Konjunktion mit dem Mond. Die Mond/Jupiter-Konjunktion deutet auf ein intensives Kontakterleben hin, verbunden mit einem wachen Sinnenleben. Im Zeichen Schütze erhält dies eine feurig-eigenwillige Note. Der absteigende Mondknoten weist jedoch auf den Weg rückwärts hin, auf das, was schon erledigt ist, was bereits einmal in voller Blüte stand und nun losgelassen werden sollte, um dem Neuen am aufsteigenden Mondknoten Platz zu machen. Mond/Jupiter fällt es vermutlich schwer, diesem Loslassen zu folgen. Im Schatten der 6. Häuserspitze ist der Wunsch nach Geliebt-werden-Wollen durch ein DU groß und oft Anlass zu Überkompensationen (z.B. einem Helfer-Syndrom, dem Wunsch, anderen helfen und dienen zu wollen und so ihre Liebe zu gewinnen), wird aber immer wieder enttäuscht.
Der geistige Aufstieg, der gleichzeitig auch auf den ersten Schritt heraus aus Problemen und Konflikten weist, liegt auf der gegenüberliegenden Seite im 11. und auch 12. Haus. Der Mondknoten weist – wie bereits angesprochen – auf einen Pfad hin, der durch Einsamkeit und Zurückgezogenheit führt, was auch der dem AC-Zeichen Krebs gegenüberliegende Steinbock nahelegt, dessen Qualitäten während des dreistufigen Entwicklungsprozesses von der ichhaften Mond-Liebe hin zur allumfassenden und überpersönlichen Liebe Neptuns integriert werden müssen. Schauen wir ins Mondknotenhoroskop, den Schatten unserer Persönlichkeit, vielleicht auch die Aufsummierung unserer Erlebnisse und Verhaltensweisen aus früheren Inkarnationen, so sehen wir Mond/Jupiter direkt am DC, also ganz nah am DU. In einer Tiefenschicht seines Wesens ist van Gogh also sehr auf den direkten menschlichen Kontakt angewiesen, er braucht den direkten Austausch mit der Umwelt. Doch offensichtlich steht dies nun nicht mehr mit seinem aufgezeigten Entwicklungsweg in Einklang, es hindert ihn vielleicht eher daran, das Ziel zu erreichen, das sich die Seele gesetzt hat.
Der Schritt von der Untenlagerung des Aspektbildes nach oben im Radix, den sich van Gogh hier vorgenommen hat, mutet gewaltig an. Ist das in einem Leben zu schaffen? Wir können uns vielleicht vorstellen, wie er mit der Feuer-Energie der Zeichen Widder und Schütze in diese Aufgabe hineinprescht, um dann auf halber Strecke zu erkennen, dass dieser Weg von unten nach oben doch nicht so einfach zu bewältigen ist. Vor allem Mondbedürfnisse nach Kontakt und Liebe bleiben da auf der Strecke.
Aber van Gogh hat noch ein Ventil: „Je hässlicher, älter, boshafter, kränker, ärmer ich werde, um so mehr suche ich die Scharte dadurch auszuwetzen, dass ich meine Farbe leuchtend, wohl ausgewogen, strahlend mache.“ Doch seine Anfälle häufen sich und lassen einen chronischen Verlauf seiner Krankheit erkennen. Vincent wird dadurch immer depressiver und zeitweise von Angst- und Wahnvorstellungen geplagt.
Beim AP-Halbsextil zu Jupiter im Radix stellt sich ein erster, zaghafter öffentlicher Erfolg ein: Vincent erhält positive Kritiken für einige Gemälde, die in Paris ausgestellt werden. Außerdem kann ein Bild in Brüssel verkauft werden. Dennoch muss sich Vincent darüber klar werden, dass ihm äußerer, materieller Erfolg nicht beschieden ist. In Anbetracht der zahlreichen Planeten im 10. Haus muss dies sehr an ihm genagt haben: „Ich kann ja nichts dafür, dass meine Bilder sich nicht verkaufen. Einmal aber wird der Tag kommen, da man sehen wird, dass sie mehr als den Preis der Farbe wert sind und mehr als mein ganzes erbärmliches Leben, das ich daran gehängt habe.“
Im Mai 1890 während des AP-Quadrats zum Radix-Merkur verlässt van Gogh schließlich Saint-Remy, um für einige Tage zu seinem Bruder Theo nach Paris zu reisen. Dieser ist inzwischen verheiratet und gerade Vater eines Sohnes geworden, der den Namen seines Patenonkels Vincent erhält. Anschließend fährt van Gogh nach Auvers-sur-Oise, wo er unter der Obhut des in seiner Freizeit malenden Arztes Dr. Gachet wieder in ein eigenständiges und unabhängiges Leben zurückfinden soll. Hier entstehen nochmals rund 80 seiner großartigsten und berühmtesten Bilder, u.a. die Kirche von Auvers. Er verfällt erneut in einen Schaffensrausch. Dr. Gachet scheint ihm allerdings ebenso krank und nervös zu sein wie er selbst. Der AP erreicht im Radix das Sextil zum Mars und im Mondknotenhoroskop das Quincunx zu Saturn. Vincent versinkt wieder in Melancholie: „Mein Leben wurde bei der Wurzel angegriffen, und mein Schritt ist schwankend.“ In seinem letzten Brief im Juli 1890 schreibt er seinem Bruder: „Meine Arbeit gehört dir. Ich setzte dafür mein Leben ein, und meine Vernunft ging dabei zur Hälfte drauf.“ Dann geht er hinaus in ein Kornfeld und schießt sich mit einem Revolver in die Brust. Zwei Tage später, am 29. Juli 1890, stirbt er in den Armen seines Bruders Theo.
Hinterlassen hat Vincent van Gogh Hunderte von Gemälden, die heute ein fast unermessliches Vermögen darstellen und deren Farbenpracht und Dynamik dem Betrachter einen lebhaften Eindruck vermitteln, welch Feuer in seiner Seele gebrannt haben muss.
„Mancher hat ein großes Feuer in seiner Seele, und niemand kommt jemals, sich daran zu wärmen, und die Vorübergehenden gewahren nur ein klein wenig Rauch oben über dem Schornstein, und sie gehen ihres Weges von dannen. Nun, was beginnen, diese Glut im Innern unterhalten, sein Salz in sich verschließen, geduldig warten, gleichviel mit wie viel Ungeduld, die Stunde erwarten, da es irgend jemand beliebt, sich dort niederzulassen?“
Literatur:
Zitate aus dem „Briefwechsel Vincent und Theo van Gogh“
Vincent van Gogh: Feuer der Seele. Insel TB
Ingo F. Walther: Vincent van Gogh – Vision und Wirklichkeit. Taschen Verlag
Pierre Leprohon: Vincent van Gogh, Genie und Wahnsinn. Heyne TB
Bruno und Louise Huber: Die sieben Strahlen (API-Seminar Dez. 95)
Louise Huber: Dreidimensionale Horoskopdeutung. ASTROLOG Nr. 41 bis 59
Geburtszeitkorrektur: Udo Bender, Astrologe (Dipl. API)
Erschienen im Astrolog – Zeitschrift für Astrologische Psychologie Nr. 110 und 111
© B. Braun (1999)
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