Der an englischen Schulen zu kritischem Denken erzogene Narendranath Datta war trotz seiner Neigung zum Atheismus auf der Suche nach einer unmittelbaren religiösen Erfahrung und fragte jeden heiligen Mann Indiens, ob er Gott gesehen habe. Erst der Mystiker Ramakrishna antwortete ihm: „Ja, ich habe Gott gesehen.“ Durch eine bloße körperliche Berührung konnte er dem 18jährigen eine lebendige Erfahrung des Göttlichen vermitteln. Diese Begegnung am 18. November 1881 veränderte das Leben des jungen Mannes, der Ramakrishnas bekanntester Schüler werden sollte: Swami Vivekānanda. Ramakrishna erkannte in dem jungen Mann den alten Weisen Nara, eine Verkörperung von Narayana. Eine Seele, die bereits in früheren Leben Vollendung erlangt hatte und nun zur Erde zurückgekehrt war, um eine große Aufgabe zu erfüllen: eine moderne Neubestimmung des Advaita Vedanta!
Entwicklungsweg im Steinbock
Am Ende des geistigen Entwicklungsweges im Zeichen Steinbock, nachdem die in überirdischem Licht badende Seele diesem wieder den Rücken zuwendet, wird Saturn zum „Hüter der Schwelle“ und großen Einweihenden, der dem Gegenüber (Krebs) gibt, was es ebenfalls hinauf zum Gipfel bringt.
Vivekānanda brachte die Philosophie des Vedanta in den Westen, als er am 11. September 1893 als erster Hindu vor dem Weltparlament der Religionen in Chicago sprach.
Im Solar für das Jahr 1881 liegt das GZ am Deszendenten, gemeinsam mit Mars und Rahu: die rastlose (Rahu) und mit viel Energie (Mars) betriebene Suche führt direkt zu Vishnunabhi (Vishnus Nabel), dem Galaktischen Zentrum! Der progressive Solar-AC trat am 18. November in das Zeichen Stier ein und bildete ein Quincunx mit der Riesengalaxie M87, dem supergalaktischen Zentrum.
Im Solar für das Jahr 1893 liegt der Solar-Aszendent im Zeichen Stier, sein Herrscher Venus in enger Konjunktion mit dem GZ. Der progressive Solar-AC erreichte am 11. September 1893 die Sonne auf der 9. Solar-Hausspitze.
Die astrologisch-psychologische Betrachtung des Horoskops enthüllt die Potentiale und Hindernisse auf dem geistigen Entwicklungsweg, der sich in der Verbindung des Mondknoten-Themas mit dem Aszendenten als geistigem Entwicklungsziel der Seele offenbart. Sie verrät jedoch nichts über das Stadium dieser Entwicklung, ob wir kurz vor dem Ziel der Schwelle stehen, oder noch meilenweit entfernt von ihr. Hier kann die indische Betrachtung wichtige Hinweise geben, denn sie berücksichtigt auch die karmische Komponente, den aus früheren Inkarnationen mitgebrachten Erfahrungsschatz.
Yogas
Der Begriff Yoga (Sanskrit: von yuga Joch, yuj anjochen zusammenbinden, anspannen, anschirren) kann sowohl „Vereinigung“ oder „Integration“ bedeuten als auch als das „Anschirren“ oder „Anspannen“ des Körpers an die Seele zur Sammlung, Konzentration und Einswerdung mit Gott verstanden werden. In der indischen Astrologie bezeichnet man unterschiedlichste Kombinationen oder Verbindungen von Planeten, Zeichen und Häusern als Yoga. Dabei bezieht sich der Begriff Yoga nicht nur auf die Verbindungen astrologischer Faktoren an sich, sondern er soll auch zum Ausdruck bringen, dass der Mensch über astrologische „planetare Yogas“ mit seinem Karma engstens verbunden wird. Im Prasna Marga heißt es dazu sinngemäß: Purusha ist derjenige, der einen Körper besitzt.
Planetare Yogas verbinden Purusha mit Karma Phala, den Folgen seiner Handlungen.
Sie zeigen, wie der Purusha an sein Karma gebunden ist.
Herauragend ist das folgende Yoga:
Avataraja „König himmlischer Herkunft“ oder
Amsaavatara „der Gottheit entsprungene Erscheinung“ YogaJupiter, Venus und Saturn in Kendras, Saturn erhöht und in einem beweglichen Lagna.
„Er wird von der Hoheit eines Königs sein, einen guten Ruf genießen, bewandert in den schönen Künsten, der Ritterlichkeit verschrieben und kennt keine Leidenschaften. Er wird zu den heiligen Schreinen gehen und das Wesen des Zeitalters, in dem er lebt, formen. Er wird mit der Philosophie der Vedanta vertraut sein und von Geburt an befähigt, die heiligen Schriften zu studieren und auszulegen.“
Dieses Yoga soll die Geburt eines Avatars anzeigen, einer göttlichen Inkarnation, deren Absicht es ist, große Veränderungen in der Welt zu bewirken. Als göttliche Inkarnationen sind diese Menschen offensichtlich „von Geburt an befähigt, die heiligen Schriften zu studieren und auszulegen.“ Die beiden Wohltäter Jupiter und Venus stehen in Kendras und Saturn im Zeichen seiner Erhöhung. Ein beweglicher (kardinaler) Lagna ist notwendig, um Veränderungen durchführen zu können.
In den meisten Fällen wird dieses Yoga zwar keinen spirituell befreiten Avatar anzeigen. Es weist jedoch immer auf einen Menschen hin, der auf den Lebensgebieten, mit denen er sich beschäftigt, wichtige Veränderungen bewirkt, die in Einklang mit dem göttlichen Willen stehen.
Es gibt eine ganze Anzahl Möglichkeiten zur Bildung eines königlichen Raja Yoga. Im Falle Swami Vivekānandas sind dies:
- Parivartana Yoga (Gleichzeitig ein Maha „Großes“ Yoga)
Rezeption zwischen den Herrschern eines Kendras (Saturn) und eines Trikonas (Venus).
Chance auf großes Glück und Erfolg im Leben.
- Maha Purusha „Großer Mensch“ Yoga
Kennzeichnen besonderer Menschen.
Ruchaka Yoga
Mars im eigenen Zeichen oder erhöht und in einem Kendra vom Lagna oder vom Mond.
Aktive und kraftvolle Persönlichkeit, die ihre Talente verwirklichen kann. Ehrgeiz. Erfolg in der Verwirklichung weltlicher Bedürfnisse, aber auch Ausübung von Macht und Aggression. Autorität.
Shasha Yoga
Saturn im eigenen Zeichen oder erhöht und in einem Kendra vom Lagna oder vom Mond.
Mächtig, streng, übernimmt Verantwortung und kämpft für Dinge, die von anderen im Allgemeinen gerne ignoriert werden. Aber auch großes Kontrollbedürfnis aus inneren Ängsten und Unsicherheiten heraus (speziell im 4. Haus).
Weitere Yoga-Verbindungen sind:
- Kemadruma Yoga
Keine Planeten im 2. und 12. Haus vom Mond gerechnet.
Soziale Isolation, Kontaktarmut, Rückzug, Einsamkeit.
Dieses Yoga wird gemildert durch Aspekte auf den Mond (hier von Mars), durch Planeten, die im gleichen Zeichen wie der Mond stehen (hier Saturn und Jupiter) und durch die Stellung des Mondes in einem Kendra. Sie alle helfen dem Mond, den Geist zu fokussieren, sich zu konzentrieren und eine positive Einstellung zu entwickeln.
- Gaja Kesari Yoga
Jupiter in einem Kendra vom Mond oder vom Lagna.
Intelligenz und eine positive Lebenseinstellung.- Chandra Mangala „Mond Mars“ Yoga
Mars in Konjunktion oder Opposition zu Mars.
Reichtum, Wohlstand, Gewinne durch Frauen.- Kedara „Feld“ Yoga
Alle Planeten (Rahu und Ketu bleiben unberücksichtigt) befinden sich in vier Zeichen.
Der Geborene ist ein verlässlicher, ausdauernder und hartnäckiger Arbeiter, der langsam und Schritt für Schritt seine Fähigkeiten und Talente ausbaut. Dieses Yoga stabilisiert den Charakter, verleiht eine realistische Einstellung und innere Sicherheit.
Vimshottari Dasha
Vivekānanda befand sich in einem Rahu Maha Dasha und Merkur Antar Dasha (Bhukti), als er sich auf die Suche nach einer persönlichen göttlichen Erfahrung machte.
Rahu im 12. Haus sucht Freiheit von weltlichen Kämpfen und Auseinandersetzungen. Im Idealfall wird dieser Mensch ein Karma Yogi, der seine Pflichten mit innerer Distanz und ohne die Früchte seiner Arbeit zu bedenken erfüllt, der seine Aufgaben so erledigt, dass er frei von ihnen werden kann. Lernt der Mensch nicht, seine Pflichten auf diese Weise zu betrachten, kann eine große innere Unzufriedenheit entstehen, die in einer Flucht endet, meist in Form von Süchten, Abhängigkeiten, Sex oder exzessiver Verschwendung. Die Rahu-Periode bietet Gelegenheit, die Suche nach endgültiger Befreiung – Moksha – zu vollenden.
Merkur ist nicht nur Herrscher des 9. Bhava, sondern auch der Herrscher des Svamsha (Karakamsha), dem Navamsha, in dem sich der Atmakaraka Venus befindet, deren Pratyantar Dasha aktiviert war. Als Vivekānanda seinem Guru Ramakrishna schließlich begegnete, hatte gerade ein Merkur Sookshma und Prana Dasha begonnen.
Guru – ein Lehrer, der Licht bringt
Die Künstlerin und Yoga-Lehrerin Elisabeth Haich erkannte in Vivekānanda die Reinkarnation ihres Vaters aus dem früheren Leben in Ägypten, über das sie in ihrem Buch Einweihung schrieb.¹
Ramakrishna sah in Vivekānanda die Inkarnation des großen mythischen Weisen Narada, einer der sieben großen Rishis, denen vor langer Zeit die heiligen Texte der Veden offenbart wurden. Er war für ihn kein gewöhnlicher Mensch, sondern ein Nītya-Siddha (einer, der von Geburt an vollkommen ist), ein Iśvarakoti (Speer- oder Pfeilspitze Gottes) und besonderer Bote Gottes, der geboren wurde, um auf der Erde eine göttliche Mission zu erfüllen. Dieses wahre Wesen Vivekānandas offenbarte sich ihm in einer Vision lange vor ihrer ersten Begegnung.
Vivekānanda selbst erklärte:
Ich werde überall Menschen inspirieren,
bis die Welt weiß,
dass sie eins mit Gott ist.
¹ Reinhold Pertler: INFORMATION zur Yogaschule ELISABETH-HAICH und SELVARAJAN YESUDIAN
Literatur:
Vivekananda: Vedanta
Vivekananda: Meditation
Vivekananda: Raja Yoga – Karma Yoga – Jnana Yoga – Bhakti Yoga
Jyotishman Dam: Große Meister Indiens
Neo-Advaita
Das Mondknoten/AC-Verhältnis
Yoga-Deutungstexte aus Kāla