Pluto wird in der Astrologischen Psychologie als die Kern- und Motivationskraft gesehen, die wandelnd auf das ICH-Bild, seine Masken und Über-ICH-Formen einwirkt. Pluto übt als geistiger Planet jene psychische Funktion aus, die das Bewusstsein des Menschen zurück in den Raum des Kreises in der Horoskopmitte führen will – der „Seele“ als kleinem Teil der großen See des ewig zeitlosen Bewusstseins – und dabei all das wandelt und zerstört, das mit dem wahren (höheren oder universalen) Selbst nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.
Die Mondknotenachse gibt ebenfalls Hinweise über diesen zu beschreitenden evolutionären Pfad des Bewusstseins, das sich beständig in Richtung des „einen großen All-Bewusstseins“ entwickelt. In diesem Entwicklungsprozess entspricht der südliche absteigende Mondknoten ☋ einer introvertierten Kraft, die Vollendung und Befreiung des Bewusstseins ermöglicht, und der psychologischen Funktion des Planeten Pluto in vielem gleichkommt. Zuvor muss jedoch die Lektion des nördlich aufsteigenden Mondknotens bewältigt werden, der auf der anderen Seite des Horoskops dem Bewusstsein einen Anstoß vorwärts in das Neue gibt, um so einen korrigierenden Ausgleich zu schaffen, der für die Vollendung des Bewusstseins durch das Er-Lösen der Zwänge des absteigenden Mondknotens essenziell ist. Der Astrologe Jeff Green beschäftigte sich bereits vor vierzig Jahren in seinem Buch Pluto – Die evolutionäre Reise der Seele mit diesen Zusammenhängen.
Planeten in Opposition zum aufsteigenden Mondknoten verhindern und blockieren diesen Ausgleich. Pluto kann in der Opposition zum absteigenden Mondknoten zum größten Verhinderer der Vollendung werden, denn er bläht das Schein-ICH des individuellen Bewusstseins zu gigantischer Größe auf, um sich am Ende in letzter Konsequenz selbst zu zerstören. Die Konjunktion mit dem absteigenden Mondknoten verstärkt die massiven Kontrollzwänge des Bewusstseins und intensiviert die Abwehr des Aufstiegs enorm.
Sahra Wagenknecht
Am 16. Juli 2023 feiert Sahra Wagenknecht ihren 54. Geburtstag. Der Alterspunkt erreicht die Spitze des 10. Hauses und gibt ihrer beruflichen Selbstverwirklichung enormen Rückenwind. Da ihre Geburtszeit nicht bekannt ist, kann der aktuelle Brennpunkt ihres Bewusstseins nur im Mondknoten- und im Orts-Horoskop betrachtet werden. Da sie seit fünf Jahren mit einer Parteigründung liebäugelt, entscheide ich mich für das Orts-Horoskop der Hauptstadt Berlin.
Die Position ihres Mondes liegt zwischen 8° und 20° Löwe. Der Orts-Aszendent für Berlin liegt auf rund 7° Löwe, der Kleinplanet Ceres gegenüber am Orts-Deszendenten. Saturn steht exakt im Quadrat zur Orts-Horizontachse. Die Mondknotenachse liegt auf der Existenzachse Jungfrau/Fische sowie im Berliner Orts-Horoskop auf der Denkachse des 3./9. Hauses mit Pluto in exakter Konjunktion mit dem südlich absteigenden Mondknoten auf der Spitze des 3. Orts-Hauses.
Der Alterspunkt des Mondknotenhoroskops erreicht die Spitze des 10. Mondknotenhauses und steht im Quadrat zu Pluto direkt auf dem ☊-DC und im Halbsextil zur Sonne auf der Spitze des 9. ☊-Hauses.
Im Orts-Horoskop Berlin, das auf der Grundlage des Mittagshoroskops erstellt wurde, fällt eine unvollständige rot-blaue Drachenfigur auf. Unvollständig ist sie durch das fehlende Sextil zwischen Pluto und Neptun, für dessen Vollständigkeit mehr als ein Grad fehlt. Durch die Lücke zwischen Pluto auf rund 23° Jungfrau und der Jupiter/Saturn-Konjunktion auf 0° Waage fällt diese Unvollständigkeit besonders ins Auge. Unvollständig ist die Figur abgesehen vom fehlenden Sextil auch, weil der aufsteigende Mondknoten an der Spitze des Drachens diesen zu einer „Entwicklungsfigur“ macht. Dies bedeutet, dass dieser Mondknoten und die von ihm gebildete Aspektfigur erst dann wirksam wird, wenn Sahra Wagenknecht die Aufgabe ihres aufsteigenden Mondknotens erfüllt, der in Fische eigentlich von ihr fordert, sich zurückzunehmen und einen Schritt zurückzutreten, vor allem wenn ihre Anstrengungen nicht dem angestrebten Ergebnis entsprechen. Im Fische-Zeichen geht es für den aufsteigenden Mondknoten um ein existentielles Dazulernen, es geht um den Sinn des Lebens. Sahra Wagenknecht soll nicht intellektuell, praktisch oder philosophisch dazulernen, sondern sie muss sich mit dem Sinn des Lebens auseinandersetzen.
Pluto ist hier jedoch darauf fixiert, den absteigenden Mondknoten reflexhaft zu verwirklichen, der im Zeichen Jungfrau in der Vergangenheit das Leben durch in langer Praxis erprobte Fähigkeiten, Talente und pragmatische Intelligenz erfolgreich meistern konnte, der heute jedoch den karmischen Ballast bildet, den es zu erlösen gilt. Mit Pluto ist Sahra Wagenknecht jedenfalls eine überaus fleißige und geschickte Person, jedoch mit zuweilen zwanghaften Zügen. Mit der Opposition zum aufsteigenden Mondknoten setzt sie ihre Willenskraft ichbezogen und manchmal gewaltsam oder zumindest empathielos ein. Die durch Pluto ausgelösten Wandlungsprozesse des Ichs werden verdrängt und blockiert, können jedoch mitunter eruptionsartig wieder hervorbrechen, alte Regeln durchbrechen und Verdrängtes an die Oberfläche bringen. Am Saturnpunkt der Knotenachse kann Pluto auf alte Rechte pochen und Machtansprüche geltend machen, die jedoch überheblich, aggressiv und aus der Zeit gefallen erscheinen. Gewaltanwendungen im Namen einer höheren Idee verbunden mit Zerstörungswut kommen ebenfalls vor. Im Extrem können hier gerade in der Jungfrau gesundheitliche Probleme angezeigt sein, und tatsächlich zog sich Sahra Wagenknecht vor vier Jahren nach ihrer gescheiterten Sammlungsbewegung Aufstehen aus gesundheitlichen Gründen zurück. Nun startet sie einen neuen Anlauf und sucht wieder Unterstützer für eine neue Parteigründung und nennt als Grund für die Suche nach Unterstützern auch gesundheitliche Gründe. Ob es ihr dieses Mal gelingen wird?
Wladimir Putin
Diese Konstellation teilt Sahra Wagenknecht übrigens mit Wladimir Putin, für dessen Bedrohungsgefühle sie mehr Verständnis aufbringt als für den Freiheits- und Überlebenskampf des jahrzehntelang unterdrückten Nachbarlandes Ukraine, das unter Putins unerbittlicher Zerstörungswut leiden muss. Dabei blockiert Putin im Grunde seinen eigenen aufsteigenden Mondknoten im Wassermann, indem er alles zerstört, was sich der Transformation seines Egos in den Weg stellt. In seinem Horoskop befinden sich Pluto und der absteigende Mondknoten im Zeichen Löwe und blicken zurück auf eine „königliche“ Vergangenheit, die Putin heute mit Gewalt wiederherstellen will. Dabei kämpft offenbar auch Putin mit gesundheitlichen Problemen.
Im Grunde geht es mit Pluto auf der Mondknotenachse darum, den Kampf gegen die Dominanz des persönlichen Ichs zu gewinnen. Der absteigende Mondknoten will das individuelle Bewusstsein wieder mit seinem Ursprung verbinden, und zielt auf die Wandlung des kleinen Ichs hin zum großen „schauenden“ Selbst. Der einzige Faktor, der sich mit aller Vehemenz dagegen stemmt, ist das Pseudo- oder Schein-Ich, das sich für Putin offenbar nur im Krieg mit der Welt durchsetzen lässt. Dabei wird das Ich als Konstrukt ohnehin eines Tages untergehen, ob mit oder ohne Krieg. Was die Welt heute erleben und erleiden muss, ist Putins plutonischer Kampf gegen seinen eigenen aufsteigenden Mondknoten. Dessen Entwicklungsziel ist im Wassermann eigentlich recht einfach zu erreichen: echte Selbstsicherheit erlangen, für die es keinen Grund gibt, sich in einer besonderen Weise hervorzutun oder eigene Charakterzüge aus Unsicherheit vor anderen zu verbergen, sondern sich selbst mit allen Stärken und Schwächen anzuerkennen und diese unterschiedslos zu bejahen. Was Putin jedoch präsentiert, ist ein kleiner Zar, der die Welt gerne am anderen Ende seines ellenlangen Tisches empfängt – ein Bild des absteigenden Mondknotens im königlichen Löwe!
Anneliese Michel
Ein besonders dramatisches Beispiel der Opposition Plutos zum aufsteigenden Mondknoten ist das Schicksal der jungen Studentin der Religionspädagogik Anneliese Michel, die im heißen Sommer 1976 an den Folgen eines monatelang durchgeführten katholischen Exorzismus an den Folgen extremer Unterernährung starb. Sie kam rund zwei Wochen vor Wladimir Putin am 21. September 1952 im katholischen Bayern auf die Welt. Der aufsteigende Mondknoten befindet sich im unkonventionellen Zeichen Wassermann auf der 6. Hausspitze, der absteigende Mondknoten mit Pluto gegenüber auf der 12. Hausspitze im königlichen Zeichen Löwe. Anneliese Michel blickte dort auf eine Vergangenheit religiösen Eifers zurück, der sich kaum um weltliche Belange gekümmert hatte. Wahrscheinlich konzentrierte sie sich auf extrem dunkle spirituelle bis vielleicht sogar schwarzmagische Praktiken, verbunden mit weniger hilfreichen Aktivitäten wie der Flucht aus der Realität.
Der aufsteigende Mondknoten betont jedoch als Lösung der Pluto/Südknoten-Konjunktion die praktische Arbeit mit Menschen, für die sie in ihrem Denken zunächst eine zeitgemäße und weltoffene Ordnung hätte schaffen müssen, um die christlichen Ideale pragmatisch und den Menschen zugewandt erfüllen zu können. Tatsächlich hielt sie sich und vor allem auch ihr familiäres Umfeld als Opfer einer teuflischen Besessenheit, die sie und ihr Umfeld als großes Sühneopfer für die Sünden ihrer Altersgenossen begriffen und am Ende sogar glaubten, dass Annelieses „reine Seele“ nach dem Ende ihres irdischen Leidens einen herausgehobenen Platz im Himmel gewinnen könne (→ Anneliese Michel: Diabolos, der „Durcheinanderwerfer“).
Dalai Lama XIV
Der 14. Dalai Lama ist für diese Konstellation ein weiteres Beispiel. Er kam ebenfalls mit Pluto am absteigenden Mondknoten auf die Welt. In seinem Horoskop stehen sie gemeinsam mit der Sonne im Krebs im 1. Haus. Er und viele seiner Landsleute mussten im März 1959 ihr Heimatland Tibet verlassen, das vom kommunistischen Nachbarland China überfallen und diesem einverleibt wurde. Ihren Glauben und ihre Traditionen können die Tibeter seitdem nur in der Freiheit der westlichen Welt praktizieren. Mit dem aufsteigenden Mondknoten in Steinbock soll der Dalai Lama den Mut und die Eigenständigkeit entwickeln, seine Heimat zu verlassen, um in der Fremde die Herausforderungen des Lebens anzunehmen und dort eine anerkannte Autorität zu werden.
Die markante Drachenfigur im Horoskop des Dalai Lama ist vollständig und wird von den Ich-Planeten Sonne, Mond und Saturn sowie Jupiter gebildet. Pluto und die Knotenachse sind nicht involviert.
Literatur:
Bruno und Louise Huber: Mondknoten-Astrologie, API-Verlag
Claude Weiss: Karmische Horoskopanalyse Band I, Edition Astrodata
Jeff Green: Pluto – Die evolutionäre Reise der Seele, Hugendubel