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DIE ARBEITEN DES HERKULES
von
ALICE A. BAILEY
Die achte Arbeit
Die Tötung der neunköpfigen Hydra
(Skorpion, 23. Oktober – 22. November)
Beginnend mit Skorpion wurde die Beschreibung der Sage von Dr. Francis Merchant verfasst, weil sich in A. A. B.s Papieren keine weiteren Texte des Tibeters vorfanden. Für die Einzelheiten der Geschichte verwendete der Autor das beste verfügbare Material und setzte es in den jambischen Rhythmus des Alten Kommentars. Anderes Material von A. A. B. wurde wie bisher weiterverwendet mit einigen notwendigen Straffungen und Neufassungen. Die Sage
Der große Eine, der den Vorsitz führt, gehüllt in strahlende Ruhe, sagte nur ein einziges Wort. Der Lehrer hörte den goldtönenden Befehl und rief Herkules herbei, den Gottessohn, der auch ein Sohn der Menschen war.
«Der Lichtschein fällt jetzt auf das achte Tor,» sagte der Lehrer. «Im alten Argos herrscht eine Dürre. Amymone erfleht die Hilfe Neptuns. Er gebot ihr an einen Fels zu schlagen und als sie’s tat, entsprangen ihm drei kristallene Ströme. Doch bald darauf nahm eine Hydra dort ihren Wohnsitz.»
«Am Fluss Amymone liegt der schwärende Sumpf von Lerna. In diesem eklen Schlamm haust nun das Ungeheuer Hydra, eine Plage für das Land. Neun Köpfe hat diese Kreatur, und einer davon ist unsterblich. Rüste dich zum Kampf mit diesem hassenswerten Tier. Und glaube nicht, gewöhnliche Mittel könnten helfen; zerstörst du eins der Häupter, wachsen zwei neue an seiner Stelle.»
Wartend stand Herkules.
«Ein Wort des Rates nur darf ich dir geben,» fuhr der Lehrer fort. «Wir erheben uns, indem wir niederknie’n. Wir siegen, wenn wir uns ergeben. Wir gewinnen den Kampf durch Ergeben. Geh, jetzt, o Gottessohn und Sohn des Menschen, und siege!»
Durch das achte Tor schritt Herkules.
Der stinkende Morast von Lerna war ein Schandfleck, der alle erschreckte, die in seine Nähe kamen. Sein Gestank verpestete die Luft in einem Umkreis von sieben Meilen. Als Herkules näher kam, musste er anhalten, denn der Geruch allein überwältigte ihn fast. Der schlickige Treibsand war eine Gefahr und mehr als einmal zog Herkules rasch seinen Fuß zurück, um nicht durch den nachgebenden Boden nach unten gesaugt zu werden.
Schließlich fand er das Lager, wo die ungeheure Bestie sich aufhielt. In einer Höhle, in ewiger Nacht, lag die Hydra verborgen. Tag und Nacht umstreifte Herkules das trügerische Moor, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, wenn das Tier ausfallen würde. Er wartete vergebens. Das Monstrum blieb in seiner stinkenden Höhle.
Nun besann sich Herkules auf eine List. Er tauchte seine Pfeile in brennendes Pech und schoss sie mitten in die gähnende Höhle, in der die Bestie verweilte. Jetzt gewahrte er Unruhe und Bewegung.
Die Hydra kam hervor. Ihre neun wütenden Häupter spien Flammen, ihr schuppiger Schwanz peitschte das Wasser und den Schlamm, die den Herkules von Kopf bis Fuß besudelten. Drei Klafter hoch erhob das Ungeheuer sich, ein Ding von solcher Hässlichkeit, als sei es wohl erdacht von allen schmutzigsten Gedanken seit Anbeginn der Zeit.
Zischend schoss die Hydra vor und suchte des Herkules Füße zu umschlingen. Er sprang zur Seite und versetzte ihr einen so vernichtenden Hieb, dass eines der Häupter abgetrennt war. Kaum war das schreckliche Haupt im Sumpf verschwunden, schon wuchsen zwei neue an seiner Stelle. Immer wieder griff Herkules das rasende Ungeheuer an, aber es wurde nicht schwächer, sondern stärker.
Da erinnerte sich Herkules der Worte seines Lehrers. «Wir erheben uns, indem wir niederknie’n.» Herkules warf die Keule von sich, kniete nieder, fasste die Hydra mit seinen bloßen Händen und hob sie in die Höhe. In der Luft hängend schwand ihre Kraft. So kniend hielt er die Hydra über sich empor, damit die reinigende Luft und das Licht die rechte Wirkung habe. Das Untier, nur stark in Dunkelheit und im morastigen Schlamm, verlor rasch seine Macht, als Sonnenstrahlen und Wind es berührten.
Zuckend wehrte es sich, ein Schauer durchlief seinen abscheulichen Körper. Schwächer und schwächer wurde sein Wehren bis der Sieg errungen war. Die Häupter sanken herab, mit keuchenden Mäulern und glasigen Augen fielen sie zu Boden. Aber erst als die Hydra leblos lag, bemerkte Herkules das mystische Haupt, das unsterblich war.
Dieses eine unsterbliche Haupt schlug Herkules vom Rumpf der Hydra ab und vergrub das noch wild zischende unter einem Felsen.
Zurückgekehrt stand Herkules vor seinem Lehrer. «Der Sieg ist errungen,» sagte dieser. «Das Licht, das an dem achten Tor scheint, ist jetzt mit deinem eigenen vermischt.»
Francis Merchant.
Einführung
Hier gibt es wieder verschiedene Versionen der Sage und wir haben keine Beschreibungen des Tibeters mehr, die uns leiten könnten. Die Sage, dass das neunte Haupt unsterblich gewesen sei, wird scheinbar ungültig durch die klare Feststellung des Tibeters, dass es drei mal drei oder neun Prüfungen waren. Die Auslegung von Francis Merchant scheint genauer zu sein. Sie besagt, dass neun Häupter zerstört wurden und dann das mystische, das unsterbliche Haupt erschien. Des Weiteren gibt die Feststellung, dass dieses große Haupt «unter einem Felsen begraben wurde», viel Anlass zum Nachdenken. Vielleicht ist die Formulierung «verborgen unter dem Felsen des Willens» hier einleuchtend. Alle Versionen behaupten, es sei so begraben worden.
In einigen Berichten heißt es, dass Herkules die Köpfe wegbrannte, und für diese Art der Vernichtung wäre tatsächlich das göttliche Feuer nötig. Es ist jedoch unmöglich, das kraftvolle Bild des Weltjüngers in dieser hohen Prüfung zu übersehen, wie er in Demut auf die Knie sinkt, das Ungeheuer (alles angesammelte Böse, alle Irrtümer und Fehlschläge seiner langen Vergangenheit) in die Luft des Geistes hebt, in der die Hydra entsprechend ihrer Natur nicht leben konnte, und so, entkräftet starb. Die Anwendung des Feuers bei der Einleitung des Kampfes behält dasselbe Symbol bei.
Obwohl der Geschlechtstrieb unter der Prüfung des Einswerdens der Gegensätze und unter der zweifachen Regentschaft des Mars seinen besonderen Platz hat, ist die Überbetonung dieser einen Seite nicht einschließlich genug. Alle Gegensatzpaare müssen in diesem großen Zeichen, dem fortgeschrittenen Zeichen des integrierten, bewussten Jüngers, geeint sein. Es ist nicht das Zeichen eines durchschnittlichen, unentwickelten Menschen, als das es so häufig angesehen wird. Wieder muss man sorgfältig lesen und zwischen dem Menschen auf dem gewöhnlichen Rat und dem Jünger auf dem umgekehrten Rad unterscheiden. All das wurde nur gesagt, damit der Leser darüber nachdenken kann, ohne dass wir einen Anspruch auf Autorität erheben wollen.
Psychologische Analyse der Sage
Herkules wurde beauftragt, die neunköpfige Hydra zu finden, die in einem stinkenden Sumpf hauste. Dieses Ungeheuer hat sein subjektives Gegenstück. Es wohnt in den Höhlen des Denkens. Dort, im Schlamm und der Dunkelheit unerleuchteter mentaler Schlupfwinkel kann es gedeihen.
Tief verborgen in den unterirdischen Regionen des Unterbewusstseins, zuweilen ruhig, dann wieder hervorbrechend in lärmender Wut, bereitet sich die Bestie ihren ständigen Wohnsitz. Es ist nicht leicht ihre Existenz zu entdecken. Lange Zeit vergeht, ehe das Einzelwesen erkennt, dass es eine derart wilde Kreatur nährt und erhält. Die brennenden Pfeile flammender Aspiration müssen abgeschossen werden, ehe sich seine Gegenwart enthüllt.
Einen so furchtbaren Feind zu bekämpfen ist in der Tat eine heroische Aufgabe für den Sohn des Menschen, selbst wenn er ein Sohn Gottes ist. Schlage ein Haupt ab, wächst sofort an seiner Stelle ein anderes nach. Jedes Mal, wenn ein niederes Begehren oder ein böser Gedanke überwunden ist, treten andere an seine Stelle.
Herkules tut drei Dinge: er erkennt die Existenz der Hydra, sucht geduldig nach ihr und zerstört sie schließlich. Unterscheidungskraft ist nötig, Geduld, um ihr Lager zu finden; Demut, um die schlammigen Bruchstücke des Unterbewussten an die Oberfläche zu bringen und sie dem Licht der Weisheit auszusetzen.
Solange Herkules im Sumpf, mitten in Schlamm, Schmutz und Treibsand kämpfte, war er unfähig, die Hydra zu überwinden. Er musste das Ungeheuer hoch in die Luft heben, das heißt, sein Problem in eine andere Dimension erheben, um es lösen zu können. In aller Demut, im Schmutz kniend, musste er sein Dilemma im Licht der Weisheit und der erhobenen Atmosphäre forschender Gedanken untersuchen. Aus diesen Betrachtungen können wir entnehmen, dass die Antwort auf viele unserer Probleme erst dann kommen kann, wenn die Aufmerksamkeit sich auf einen neuen Brennpunkt richtet, und eine neue Perspektive hergestellt ist.
Eines der Häupter der Hydra, so wird uns gesagt, ist unsterblich. Daraus wäre zu folgern, dass jede Schwierigkeit, wie schlimm sie uns auch erscheinen mag, ein wertvolles Kleinod enthält. Kein Versuch, die niedere Natur zu beherrschen und das Kleinod zu entdecken, ist jemals nutzlos.
Das unsterbliche Haupt, vom Körper abgetrennt, wird unter einem Felsen begraben. Das würde bedeuten, dass die konzentrierte Energie, die ein Problem schafft, noch bleibt, jedoch geläutert, in eine neue Richtung gelenkt und verstärkt, nachdem der Sieg errungen wurde. Diese Macht muss dann richtig kontrolliert und geleitet werden. Unter dem Felsen des beharrlichen Willens wird das unsterbliche Haupt zu einer Quelle der Macht.
Die neun Köpfe der Schlange
Die dem Herkules gestellte Aufgabe hatte neun verschiedene Aspekte. Jedes der Schlangenhäupter repräsentiert eines der Probleme, die den Mutigen bedrängen, der versucht, Meisterschaft über sich selbst zu erlangen. Drei der Häupter symbolisieren die Begierden, die mit Sexualität, komfortabler Bequemlichkeit und Geld verknüpft sind. Die zweite Dreiergruppe betrifft die Leidenschaften der Angst, des Hasses und der Machtgier. Die letzten drei Häupter repräsentieren die Laster des unerleuchteten Denkens, nämlich Hochmut, Absonderung und Grausamkeit. (s. Esoterische Astrologie, S. 217-218)
So sind die Dimensionen der von Herkules unternommenen Aufgabe klar ersichtlich. Er musste die Kunst lernen, diejenigen Energien umzuwandeln, welche die Menschen so häufig in katastrophale Tragödien stürzen. Die neun Kräfte, die seit Anbeginn der Zeit so unaussprechliche Verheerungen unter den Söhnen der Menschen angerichtet haben, mussten in eine neue Richtung gelenkt und umgewandelt werden.
Heute streben die Menschen noch danach, das zu erreichen, was Herkules gelang. Probleme, die aus dem Missbrauch der Energie entstehen, die wir «Sex» nennen, nehmen unsere Aufmerksamkeit allseits gefangen. Die Sucht nach Komfort, Luxus und äußeren Besitz nimmt immer noch sichtlich zu. Die Jagd nach Geld als Endzweck, statt als einem Mittel, lässt das Leben zahlloser Menschen verkümmern. So fordert die Aufgabe, die drei ersten Häupter der Hydra zu zerstören, tausende von Jahren nachdem Herkules diese außerordentliche Heldentat vollbrachte, noch immer die Kräfte der Menschheit heraus.
Die drei Charakterqualitäten, die Herkules zum Ausdruck bringen musste, waren Demut, Mut und Unterscheidungskraft: die Demut, seine Lage objektiv zu sehen und seine eigenen Mängel zu erkennen; der Mut, das Ungeheuer anzugreifen, das an der Wurzel seiner Natur zusammengerollt lag; die Unterscheidungskraft, ein Mittel zu finden, mit seinem tödlichen Widersacher fertigzuwerden.
Den Pfuhl der niederen Wünsche und egoistischen Triebe aufzudecken, die in der unterbewussten Natur schwären, ist das Werk der modernen Psychoanalyse. Mit dieser Technik werden die unangenehmen Grundlagen unterdrückter Impulse an die Oberfläche gebracht; das ist wahr. Sie führt aber häufig nur bis zu diesem Punkt. Der Mensch erkennt, dass in den unterbewussten Bereichen seines Wesens ein Ungeheuer verborgen liegt und ist bestürzt und verwirrt, wenn er versucht, mit diesem furchtbaren Feind fertig zu werden.
Herkules ruft ein strahlenderes Licht als das des analytischen Denkens hervor. Er versucht, sein Problem in eine höhere Dimension zu erheben, statt endlos im Morast des Unterbewussten herumzuwühlen. Bemüht, sein Dilemma im Licht jener Weisheit zu sehen, die wir Seele nennen, begegnet er ihm aus dem Blickwinkel einer neuen Schau. Indem er das tut, zerbricht er den Zugriff der Hydra und überwindet schließlich das Tier.
Moderne Version des Kampfes mit der Hydra
Eine Betrachtung der neun Probleme, denen ein Mensch heutzutage und in dieser neuen Ära gegenübersteht, wenn er versucht, die Hydra zu erschlagen, dürfte einiges Licht auf die eigenartigen Kräfte werfen, die in dem Pulverfass des menschlichen Denkens am Werk sind. …
1. Der «Sex». Sowohl viktorianische Prüderie als auch psychoanalytische Lüsternheit sind beide nicht wünschenswert. Die Sexualkraft ist eine Energie. Diese kann unterdrückt oder hemmungslos ausgeübt, oder aber sublimiert werden. Verdrängung oder Unterdrückung sind keine echte Lösung. Hemmungslosigkeit und Promiskuität verrohen das Leben und machen den Menschen zum Sklaven einer beherrschenden Leidenschaft. Sublimierung umfasst die Nutzung der Sexualenergie zu schöpferischem Bemühen.
Umwandlung menschlicher Energien eröffnet ein weites Spekulations- und Experimentierfeld. In der Physik kann Bewegungsenergie in Elektrizität umgewandelt werden, und Hitzeenergie in Bewegung. Bis zu welchem Ausmaß können dann menschliche Energien in eine andere Richtung gelenkt werden? Die Energie der Materie, die durch Nahrung dargestellt wird, wird offensichtlich vor allem dazu benützt, um Bewegung zu erzeugen. Kann die antreibende Energie der Emotionen in gleicher Weise in die Tätigkeit des Denkens umgeleitet werden? Kann die Energie hitziger Leidenschaft ihren Ausdruck als Aspiration finden? Können die Triebe und Zwänge der menschlichen Natur so umgewandelt werden, dass sie zu wohltätigen Kräften werden? Kann die Energie, die Denken erzeugt, als jene synthetische Kraft genutzt werden, welche sich in einem Sinn für Identifikation mit allen lebendigen Dingen wiederfinden lässt?
Die Erfahrung des Herkules zeigt, dass solche Möglichkeiten bestehen, und dass derjenige, der die Hydra der Leidenschaften und des separativen Denkens unterwerfen will, Probleme dieser Art zu lösen hat.
2. Bequemlichkeit. Ein ewiges Gefühl der Unzufriedenheit spornt den Menschen zu immer größeren und höheren Errungenschaften an. Bequemlichkeit ist häufig ein Hindernis für solches Streben. Belastet mit Besitztümern und abgestumpft durch die bestrickende Sucht nach Bequemlichkeit, verkümmert und verblasst der Geist. Der Gefangene seiner eigenen Bequemlichkeit versinkt in Apathie und vergisst die Kämpfe und Prüfungen, welche die scharfe Klinge geistigen Strebens härten. Der Wille, zu suchen, der treibende Drang, das Mysterium im Kern des Lebens zu lösen, ist der narzisstischen Neigung fremd, die Bequemlichkeit zum zentralen Lebensmotiv zu machen.
3. Geld. Anhäufen von Geld ist eine zwingende Leidenschaft, die Grundlage der Aktivität der Völker und Nationen. Ethische und menschliche Werte werden in dem irren Streben nach möglichst viel machtverleihendem Gold missachtet. Unvermeidlich werden Entscheidungen weit mehr von finanziellen Erwägungen bestimmt als von geistiger Überzeugung oder ethischen Prinzipien. Der Drang, Reichtum anzusammeln ist unersättlich. Gleichgültig, wie viel ein Mensch bereits besitzt, er verlangt gierig nach mehr.
Eine lähmende Wirkung, die aus dieser Entartung des Denkens entsteht, ist Selbstsucht. Der Mensch, der von diesem Gebrechen befallen ist, will möglichst alles bekommen, aber nichts geben. Der Zustand des Universums besteht für ihn lediglich für das, was er erraffen kann. Er betrachtet sich selbst als das Endziel und anerkennt keinerlei Verantwortlichkeit, auch andere an den Vergünstigungen teilnehmen zu lassen, die er selbst erlangt hat.
Sind nicht intellektuelle Reichtümer und geistige Schätze Wertaspekte, die mehr unserer Bemühung wert wären? Man kann sie mit allen teilen und wer davon alles gibt, was er hat, wird reicher sein als vorher. Der Trieb nach Anhäufung materieller Güter kann sich eines Tages in den Wunsch verwandeln, Wissen zu erwerben, und in den Willen, die Kleinodien des Geistes zu erlangen.
4. Angst. Auf zahllose Weise quälen die Gespenster der Angst die Söhne der Menschen. Unzählige illusorische Formen der Angst verwirren und ängstigen sie und wirken wie Fesseln an ihren Füssen und wie ein Mühlstein um ihren Hals. Viele Menschen ducken sich feige, wenn sie von quälender Furcht vor Lächerlichkeit, vor Versagen, vor dem Unbekannten, vor Altern, Zufall und Tod verfolgt werden.
Können diese Ängste ausgemerzt werden? Die Erfahrung des Herkules zeigt, dass sie durch Erheben des Bewusstseins auf einen höheren Integrationspunkt zu überwinden sind. Wenn sich eines Menschen Leben wieder auf einen höheren Zweck konzentriert, werden die drohenden Schatten der Angst an die Peripherie des Denkens zurückgedrängt. Solange die unbestimmbaren Furchtungeheuer im Zwielicht des Unterbewussten hausen, werden sie die Macht haben, Wangen zu bleichen und Herzen zu Eis erstarren zu lassen.
Ein Soldat, der den Feind besiegen will, riskiert sogar sein Leben. Eine Mutter, die ihr Kind vor einer Gefahr zurückreist, vergisst die eigene Angst. Der Autofahrer, der in halsbrecherischem Tempo auf der Straße dahinrast, gefährdet Leben und Glieder um des Abenteuers willen. Solche Leute haben ihre Aufmerksamkeit auf einen Punkt konzentriert, der über der Furcht liegt. Der geistig orientierte Mensch hat sein Denken auf eine Ebene erhoben, die so verfeinert ist, dass Furcht sie nicht erreichen kann.
5. Hass. Hass wurzelt in der Verneinung. Er ist das Gegenteil des Wunsches nach Einheit. Wird Hass in eine höhere Dimension erhoben, so wird er umgewandelt in eine Zurückweisung all dessen, was unwirklich ist. Wenn Hass von aller emotionalen Befriedigung befreit ist, kann er in eine Energie umgewandelt werden, die den Menschen veranlasst, die Form abzulehnen um des Lebens willen, das die Form beseelt. Auf der niederen Spirale ist Hass mit Sicherheit zerstörerisch, auf der höheren, wenn er völlig geläutert ist, kann Hass als die andere Seite der Liebe erkannt werden.
6. Machtstreben. Während der vergangenen Jahrhunderte hat der Mensch die Energie der Macht viel häufiger freigesetzt als die Energie der Liebe. Das Resultat ist Unausgeglichenheit. Macht, die nicht mit Liebe verbunden ist, ist eine verderbliche Kraft. Viele Tragödien menschlicher Beziehungen sind das Resultat des unbeherrschten Wunsches, das Leben anderer zu beherrschen, ihnen ihr Verhalten vorzuschreiben und zu bestimmen. Wer Machtbeweggründe anstelle ethischer Prinzipien setzt, erzeugt fortwährend Streit. Die hohen Ideale, die jahrhundertelang als Leuchtfeuer dienten, nämlich Brüderlichkeit, Zusammenarbeit, Idealismus, glühen nur schwach, solange Macht der bestimmende Faktor der Gesellschaft ist. Umgewandelt wird jedoch der Wille zur Macht zum Willen-zum-Erreichen und zum Willen-zum-Opfern. Der harte, egozentrische Wille wird zu einem Verteiler segenbringender Gaben. Dann dient Macht wahrhaftig der Liebe, und Liebe heiligt die Macht.
7. Hochmut. Die Mauern, die durch Hochmut aufgerichtet werden, kerkern den Menschen sicherer ein als Gefängnismauern. Festgehalten durch die schweren Ketten dünkelhafter Selbstüberschätzung blickt er herablassend auf andere herunter. So schwächt er das Band, das alle Menschen in unlöslicher Bruderschaft verbindet. Indem er sich absondert, entfernt er sich immer weiter aus dem Kreis menschlicher Sympathie.
Herkules sinkt auf die Knie, während er mit der Hydra ringt und symbolisiert mit dieser Haltung den Geist der Demut, der erlangt werden muss. Die Überheblichkeit der Persönlichkeitsneigungen müssen durch den Ausdruck aufopferungsvoller Tendenzen ersetzt werden.
8. Absonderung. Das analytische Denken teilt und unterteilt, wodurch der Teil auf Kosten des Ganzen überschätzt wird. Auf die Unterschiedsmerkmale wird größerer Nachdruck gelegt als auf die überbrückende Einheitlichkeit. Solches Splitterdenken verstößt gegen den Impuls zur Synthese.
Die trennende Einstellung ist sich der Unterschiede zwischen den Menschen bewusster als deren Sinnlichkeiten; sie sieht in den Religionen mehr eine Anzahl antagonistischer Einzelgruppen als einen einzigen Ausdruck geistigen Impulses; sie hält Klassengegensätze in der Gesellschaft für bemerkenswerter als die Tatsache der gemeinsamen Menschheit, in der alle zu Brüdern werden; sie sieht die Erde als eine Summe ungleichartiger Nationen, statt als die eine Welt.
Herkules muss die Hydra als das ganze Ungeheuer erkennen und nicht als eine Bestie mit neun verschiedenen Köpfen. Solange er versuchte die Köpfe, einen nach dem anderen abzutrennen, hatte er keinen Erfolg. Erst als er mit ihr als einer Einheit verfuhr, errang er über sie den Sieg.
9. Grausamkeit. Von Menschen empfundene Befriedigung beim Verletzen anderer ist ein Beweis für das Vorhandensein böser Neigungen, die das Denken zersetzen. Freude zu empfinden, wenn man seinen Mitmenschen Leid zufügt, ist eine Krankheit. Dieses hässliche Haupt der Hydra muss ein für alle Mal zerstört sein, ehe man sich als ein menschliches Wesen bezeichnen kann. Das moderne Leben bietet zahlreiche Beispiele von Brutalität und schadenfroher Grausamkeit. In vielen Familien werden empfindsame Kinder verspottet, lächerlich gemacht und von denen heruntergesetzt, die sich nicht die Mühe machen wollen, sie zu verstehen. Ehepartner werden täglich der Welt in Scheidungsprozessen als Opfer «seelischer Grausamkeit» vorgeführt; die Gerichtssäle und Krankenhäuser liefern in steigendem Maß die Beweise, dass menschliche Wesen ein irrationales Vergnügen dabei empfinden, einander zu quälen. «Wir tun es wegen des Nervenkitzels,» sagte unlängst ein krimineller Teenager, «nicht für Geld.»
Wird das Ungeheuer Grausamkeit hoch in die Luft in das reine Licht der Vernunft und des Erbarmens erhoben, verliert es seine Macht. Die Aufgabe, die Energie der Grausamkeit in die Energie aktiven Erbarmens zu übertragen, bleibt noch zu tun. In zwei Prüfungen «tötete» Herkules, was er hätte lieben sollen, aber im Skorpion gelang ihm dann diese Umwandlung, indem er in seiner eigenen Natur eine Neigung ausrottete, die jedes zukünftige Unternehmen gelähmt hätte.
Solcherart ist psychologisch gesprochen die Leistung des Herkules in dieser Arbeit. Er brachte Licht in die dunklen Bereiche des Unterbewussten, rang mit den ungeheuren Kräften, die sich im unterbewussten Schlamm suhlen, und bezwang die Feinde seines eigenen Haushaltes. Ein Reinigungsprozess fand statt und Herkules ist nun für die nächste Arbeit bereit, in der er seine Fähigkeit beweisen muss, die Mächte und Gewalten des Denkens zu kontrollieren.
Anwendung auf das Leben
(Zusammenfassung aus einem Vortrag von A. A. B.)
Skorpion enthält die Aufgabe, die uns von einem bestimmten Gesichtspunkt her schon immer beschäftigt hat und noch lange Zeit beschäftigen wird, weil wir, ungleich Herkules, noch nicht über die Hydra gesiegt haben. Die meisten von uns beschäftigen sich mit den nutzlosen Methoden, die er am Anfang dieser Prüfung angewandt hatte.
Vornehmlich ist dies das Problem der Menschheit, aber als einzelne sind wir so eingehend mit unserer eigenen Entwicklung befasst, dass wir die größere Sicht vergessen. Wenn wir jemals den Gipfel des Berges in Steinbock erklimmen, müssen wir die Persönlichkeit aus den Augen verlieren und anfangen, als Seelen zu funktionieren.
In meinen höchsten Augenblicken weiß ich theoretisch, wie meine Haltung und mein Handeln sein sollten, und doch wurstle ich immer so weiter als wüsste ich nichts. Warum? Wegen eines fundamentalen Gesetzes, das besagt, dass alles in der Natur sich folgerichtig entwickeln muss, Schritt für Schritt, auf einer Linie nach der anderen, eine Regel nach der anderen. Es könnte eine verheerende Erfahrung werden, würde ich meine Persönlichkeit so rasch reinigen, dass die volle Kraft der Seele einströmen könnte. Die Macht und das Licht, die Allwissenheit und Allmacht meiner Seele würden mich umwerfen. Ich wüsste mit dem, was ich hätte, nichts anzufangen. Das soll nicht heißen, ich brauchte nur dazusitzen, um das Gesetz wirken zu lassen, könnte die Ruder sinken und mich auf der Evolution weitertragen lassen, bis ich eines Tages mein Ziel erreiche. Es heißt vielmehr, dass ich jetzt auf dem Kampfplatz Kurukshetra bin und im Skorpion mit dieser Hydra zu ringen habe, denn das ist die Aufgabe, welche die heutige Menschheit zu bewältigen hat.
Die wahre Skorpion-Aufgabe findet niemals statt, ehe man nicht gleichgeschaltet ist, ehe nicht das Denken, die emotionale und physische Natur als eine Einheit funktionieren. Der Mensch kommt zur Aufgabe im Skorpion, wo sein Gleichgewicht gestört wird und seine Wünsche um sich greifen, die er überwunden glaubte. Er wird schwankend, wo er glaubte, er sei ausgeglichen. Das Denken, von dem er ziemlich sicher war, es beginne seine Persönlichkeit zu kontrollieren, scheint nicht zu funktionieren. Wenn wir Herkules studieren, sehen wir uns selbst.
Erinnert euch, dass es drei Dinge sind, die der Jünger in Skorpion tun muss. Er muss beweisen, – aber nicht der Hierarchie, nicht dem Beobachter – sondern sich selbst, dass er die große Illusion überwunden hat, dass die Materie, die Form, ihn nicht länger hält. Herkules muss sich selbst beweisen, dass die Form nur ein Ausdruckskanal ist, durch den er mit einem großen, göttlichen Manifestationsbereich in Kontakt kommt. Aus manchen Büchern über Religion könnte man Schließen, dass Form, Empfindung und Denken böse unerwünschte Dinge seien, von denen man sich befreien müsse. Nach meiner Meinung ist wesentlich, den Gedanken zu erfassen, dass ich, wenn ich mich von der physischen Form befreie, kein Mittel mehr besitze, um mit diesem einen göttlichen Ausdruck in Kontakt zu kommen. Denn Gott drückt sich in meinem Mitbruder aus, in dieser physischen, greifbaren Welt, in der ich lebe, und wenn ich keine Form und keinen meiner fünf Sinne habe, schließe ich Gott in einer bestimmten Form von mir aus. Die Persönlichkeit darf nicht getötet, nicht niedergeknüppelt werden; sie muss als dreifacher Ausdruckskanal für drei göttliche Aspekte erkannt werden. Alles hängt davon ab, ob wir diese dreifache Persönlichkeit für selbstsüchtige oder für göttliche Zwecke benützen. Die große Illusion ist die Nutzung dieser Persönlichkeit für selbstsüchtige Zwecke. Um die ganze Geschichte zusammenzufassen: Im Zeichen Skorpion ist das Selbst entschlossen, das kleine Selbst zu töten, um es die Bedeutung der Auferstehung zu lehren.
Was ist der Tod?
Es gibt drei Zeichen des Todes im Tierkreis – drei große Tode finden statt, während wir rund um den Kreislauf des Lebens fortschreiten. Im Krebs haben wir den Tod des elementaren Wesens (nämlich den Menschen) damit das menschliche Wesen ins Dasein kommen kann. Im ganzen Tierkreis kann man sagen: «Hier gibt es Tod, damit … «
Immer ist der Tod der Eintritt in ein erfüllteres Leben, größere Erfahrung, vollere Verwirklichung und weitergesteckte Ziele. Es ist der Tod der Persönlichkeit, damit die Seele die Persönlichkeit übernehmen und durch sie Leben ausdrücken kann. In den Fischen haben wir die Kreuzigung, den Tod des Welterlösers, weil er seine Funktion vollkommen erfüllt hat.
In der Astrologie kann der Tod vieles bedeuten. Es mag heißen, dass wir sterben müssen. Das ist die eine Auslegung. Vielleicht sterben wir nur für eine alte Empfindung in uns, sie ist gestorben «tot». Viele kristallisierte, langgehegte Ideen Dogmen, die bis jetzt unsere Aktivitäten beherrscht haben, sind einfach zu Ende und man wundert sich, wie es möglich war, wirklich einmal so gedacht zu haben. Diese Denkrichtung ist jetzt gestorben. Es ist wertvoll, das große Bild zu sehen und zu lernen, es in den verschiedenen Aspekten der Persönlichkeit zu interpretieren.
Skorpion, das Zeichen der Magie
Magie ist nicht das Tun seltsamer Dinge. Wahre Magie ist vielmehr ein Tun der Seele, die sich vermittels der Form zum Ausdruck bringt. Schwarze Magie ist Benutzung der Form damit wir erlangen, was wir für die Form verlangen. Schwarze Magie ist daher reine, unverfälschte Selbstsucht. Weiße Magie hingegen ist die Benutzung der Persönlichkeit durch die Seele zu dem einzigen Zweck, die Menschheitsbelange emporzuheben. Warum ist aber Skorpion das Zeichen der Magie? In einem alten Buch heißt es: «Jungfrau ist die Hexe, die Zauberin. Sie bereitet die Ingredienzen vor, die in Waage gewogen werden und im Skorpion wird das magische Werk weitergeführt.» In Begriffen des Aspiranten bedeutet das: «In Jungfrau entdeckte ich den Christusin mir selbst, da während der Zeitalter meine Formnatureinen Christusgenährt hat; in Waageschwanke ich zwischen den Gegensatzpaaren Christusund Formnatur, bis ich Ausgeglichenheit erreicht und beide in einen Zustand des Gleichgewichts gebracht habe. Im Skorpion werde ich geprüft, wer triumphieren wird, Christusoder die Form, das höhere oder das niedere Selbst, das Wirkliche oder Unwirkliche, das Wahre oder die Illusion.» Das ist der Hintergrund der Geschichte des Skorpion.
Die Konstellationen und die Sterne
Stier, das dem Skorpion gegenüberliegende Zeichen, ist das Zeichen des Begehrens, das auf der physischen Ebene vorwiegend als Geschlechtstrieb zum Ausdruck kommt. Im Herzen des Skorpion finden wir Antares, einen der vier königlichen Sterne. Er ist rot. Rot ist die Farbe des Begehrens, und Antares ist der röteste Stern in den Himmeln; er symbolisiert das Rot des Begehrens, das jeder Manifestation des göttlichen Lebens zugrunde liegt.
Im Zwilling, beim Einsammeln der goldenen Äpfel, hatte Herkules auch mit Antares zu ringen. Hier im Skorpion treffen wir wieder auf den roten Stern. Warum? Weil das Problem der Menschheit in diesem unserem großen Sonnensystem das der Anziehung zwischen den Gegensätzen ist, und diese Anziehung äußert sich als Begehren. Immer besteht diese Dualität, das Begehrte und das, was begehrt. Aquila, der Adler, ist auswechselbar mit Skorpion. Der Adler erscheint im Staatswappen der Vereinigten Staaten, und im Staatssiegel der Vereinigten Staaten ist zudem noch der Pfeil des Schützen, dem nächsten Zeichen, ebenfalls vorherrschend. Aquila, der Adler, ist der Vogel aus Zeit und Raum, und wenn Herkules mit der Hydra ringt, schaut er auf, sieht den Adler und wird daran erinnert, dass er in Inkarnation gekommen ist und dorthin zurückfliegen wird, woher er kam.
Es sind drei Konstellationen mit diesem Zeichen verknüpft, die ungeheuer interessant sind. Zuerst haben wir Serpens, die Schlange der Illusion, der wir in der Genesis begegnen als sie Eva verführte. Die zweite ist Ophiuchus, der mit der Schlange ringende Mann. Der Alte Zodiak bildet die Schlange in Händen dieses Mannes ab. Er packt sie mit beiden Händen und tritt auf ihr Herz, das der rote Stern des Begehrens ist. Dabei blickt er auf die Konstellation, die wir in Waage sahen, die Krone. So haben wir die Persönlichkeit, die durch den mit der Schlange der Illusion ringenden Ophiuchus symbolisiert wird, vor sich die Krone nach der er strebt.
Die dritte Konstellation wird Herkules genannt und versinnbildlicht den Aspiranten, der nicht auf die Krone schaut, sondern auf den Adler Aquila. Die Persönlichkeit blickt nach der Krone, sagt aber: «Ich habe solche Schwierigkeiten, meine Umgebung ist gegen mich, meine Lebensbedingungen sind mir hinderlich; aber eines Tages werde ich die Krone erhalten.» Herkules aber, der Jünger, kümmert sich nicht um die Krone, er schaut auf den Adler, den GEISTaspekt. Er ist mit dem wunderbaren Symbol des hervorbrechenden Lichts beschäftigt, das jeglichen Sieg möglich machen wird.
Richtet euer Auge auf den Adler – ruft das Feuer herab, schaut nicht auf den Boden, zentriert euch im Göttlichen.
A.B.
Literatur:
Louise Huber: Die Tierkreiszeichen. Reflexionen Meditationen. API-Verlag.
Louise Huber: Tierkreis-Meditationen Skorpion (Audio) Ebertin / Bauer Verlag
Gunda Scholdt: Praxisbuch der Esoterischen Astrologie. Ebertin-Verlag → Geistiges Schulungszentrum
Alice Bailey: Die Arbeiten des Herakles. Lucis Verlag
Wolfgang Denzinger: Die zwölf Aufgaben des Herakles im Tierkreis. Kailash Verlag Hugendubel
Starfish-Astrologie: → Pluto, der „ewig“ Missverstandene
Starfish-Astrologie: → Skorpion – 8. Haus – Pluto