Daten für Shivaratri 2024 in Deutschland:
8. März 2024 17.28 MEZ bis Amavasya 9. März 2024 13.48 MEZ
01. Feb 2012 – 18:42:51
Kaum ist ein wichtiger hinduistischer Feiertag zu Ende, steht schon der nächste vor der Tür: Shivaratri, die Nacht des Shiva. Für die Anhänger Shivas ist dies der höchste Feiertag im Jahreskreis, bzw. die heiligste aller Nächte. Gefeiert wird dieses Fest am 14. Tag (Tithi) des abnehmenden Mondes im Hindu-Monat Phalguni (Februar/März).
Der Hinduismus setzt an erste oder höchste Stelle „das“ Brahman, das unwandelbar Absolute, den Urgrund allen Seins, ohne Anfang und ohne Ende. Der transzendente Gott jenseits aller Götter und Gottheiten. Die älteste Bedeutung des Wortes Brahman in den Veden ist „heiliges Wort“ oder „heilige Formel“ (wobei ich, aus der jüdisch-christlichen Kultur stammend, unwillkürlich an das hebräische Tetragrammaton JHWH denken muss: „Ich bin der ich bin“, oder „ich werde sein, der ich sein werde“). Dieses „höchste Seiende“ hat drei Aspekte: einen schöpfenden, einen erhaltenden und einen zerstörenden Aspekt. Die drei kosmischen Funktionen des transzendenten Brahman – Erschaffung, Erhaltung und Zerstörung/Umformung, manifestieren sich in den drei großen Göttern: Brahmā, der Schöpfer, Vishnu, der Erhalter, und Shiva, der Zerstörer.
Als Zerstörer betont Shiva („der Glückverheißende“) die Vergänglichkeit alles von Brahmā geschaffenen und von Vishnu aufrecht erhaltenen. Alles unterliegt dem Zahn der Zeit – Kāla – und Shiva ist Kāla, die Zeit. Seine weibliche Shakti ist Kālī, die Göttin des Todes und der Zerstörung. Shiva ist außerhalb der Trimurti (Brahmā, Vishnu, Shiva) der letztlich Formlose, der sämtliche Aspekte des Göttlichen in sich vereint. Seine Anhänger, die Shivaiten, sehen in ihm den Erlöser, den Retter der Welt. In der Legende des Samudra Manthan (Quirlen oder Aufwühlen des Milchozeans) erscheint er als Retter der Welt, als er das Gift des Urmeeres trinkt und so das Universum vor dem Untergang bewahrt.
In der Nacht Shivas, Shivaratri, wird dieser Aspekt des Göttlichen, Shiva als Retter und Erlöser, verehrt. Die Puranas erzählen dazu eine Geschichte, wonach Brahma und Vishnu darüber stritten, wer der Höchste von ihnen sei. Plötzlich erschien vor ihnen ein leuchtendes Linga wie eine Feuersäule. Beide konnten weder Anfang noch Ende entdecken und erwiesen daher Shiva die Ehre als dem Höchsten. Shiva trat aus der Feuersäule heraus und sagte: „Wer in Zukunft fastet, Nachtwache hält und mich verehrt, wird von allen Sünden befreit und erlöst werden“.
An anderer Stelle verkündet Shiva:
„In der vierzehnten Nacht der dunklen Hälfte des Monats werde ich im Kali-Yuga (das gegenwärtige Zeitalter) über die Erde gehen. Ganz sicher werde ich in allen Lingas sein, in den beweglichen sowie den unbeweglichen, um die Sünden hinwegzunehmen, welche die Menschen im vergangenen Jahr begangen haben; darum wird derjenige, der mich in dieser Nacht mit Mantren verehrt, von Sünden frei sein“. (Quelle: Wikipedia)
Hindus aller Traditionen feiern mit Fasten, Durchwachen der Nacht, mit Gebeten und Rezitationen von Shiva-Mantras diesen Tag. Sie übergießen rituell ein Linga mit Milch, Joghurt, Butter und Honig und schmücken es mit Blüten und Blättern. Das Fasten und die rituelle Verehrung Shivas sollen den Gläubigen von Nichtwissen und Ignoranz befreien und an die Gegenwart des transzendenten Gottes Brahman im Gläubigen selbst (Atman) erinnern.
Ein Linga ist ein säulen- oder zylinderartiger Stein. Manchmal entstehen in der Natur zufällige lingaförmige Gebilde, z.B. an Bäumen oder in Höhlen. In der westlichen Welt sieht man im Linga ein männliches Phallus-Symbol, doch sind die Fachleute sich bis heute nicht sicher, ob es sich beim Shiva-Linga und seine rituelle Verehrung lediglich um einen urzeitlichen Steinkult handelt.
In der indischen Astrologie spielt Shiva direkt keine besondere Rolle, allerdings beherrscht seine frühvedische Erscheinungsform, die Gottheit Rudra („der Wilde, der Brüllende”), das vom aufsteigenden Mondknoten (Drachenkopf) Rahu beherrschte Nakshatra Ārdra im Sternbild Orion.
Elf Tage vor der Shivaratri-Nacht beginnen rituelle Zeremonien, die Shivas Erscheinungsform Rudra gewidmet sind: das Maha Rudra Yajna. Yajna wird im Englischen meist Yagya oder Yadna geschrieben (das Sanskritwort wird korrekt „jadschna“ ausgesprochen). Ein Yajna ist ein vedisches Opferritual, das bis in die heutige Zeit in Indien von Priestern zelebriert wird, um die angesprochenen Götter anzubeten und sie um Erfüllung bestimmter Wünsche zu bitten. Wesentlicher Bestandteil eines Yajnas ist das Feuerritual, dem Feuergott Agni gewidmet, in das Opfergaben geworfen werden im Glauben, dass alles, was dem Feuer geopfert wird, die Götter erreichen wird.
Während des Maha Rudra Yajnas werden unter Rezitation vedischer Verse (Mantras) aus dem Yajur Veda durch elf Priester Trankopfer (Milch, Joghurt, Ghee, Honig, Sandelholzpaste, Kokosmilch, Rosenwasser, Orangensaft, Zitronensaft u.a.) über ein Shiva-Lingam gegossen („Rudra Abhishekam”). Dieses Ritual wird insgesamt elf Mal durchgeführt. Beim elften Mal wird ein rituelles Feuer (Agni Puja) entzündet, in das unter Rezitation der vedischen Rudra-Mantras die Opfergaben geschüttet werden. Dieses gesamte Ritual wird an elf aufeinander folgenden Tagen wiederholt bis zum Shivaratri Tag. Die Auffälligkeit der Zahl Elf hängt mit dem Namen Rudra zusammen, der unter anderem „elf“ bedeutet.
Ein Maha Rudra Yajna in Verbindung mit Shivaratri ist nach Auffassung gläubiger Hindus eine Möglichkeit, sich von den Verfehlungen des vergangenen Jahres zu reinigen und schwer zu überwindende Hindernisse und Blockaden im Leben zu zerstören (Rudra-Shiva, der Zerstörer), damit die menschliche Seele wieder empfänglich für das göttliche Licht wird und das Gute und Wünschenswerte erneut in das Leben eintreten kann.
Lese-Tipps:
Puja.net bietet viele Texte, Fotos, Audio- und Filmdateien zu diesem und anderen vedischen Yajnas
Komilla Sutton: Maha Shivaratri