Plutos Weg durch den Steinbock

Dass Pluto in der Luft liegt, ist kaum zu übersehen, schweift der Blick über die Titelzeilen astrologischer Blogs und Gazetten. Im letzten Jahr widmete der Astrologe Vinzent Liebig in seinem Blog dem Planeten Pluto einige sehr interessante Artikel, zum Beispiel über die Bedeutung von Pluto im Zeichen Steinbock, das er seit dem Jahr 2008 durchwandert.

Mich hatte dieser Artikel bereits letztes Jahr zu einem Text über Pluto im Steinbock angeregt, den ich dann jedoch aus den Augen verloren hatte. Heute morgen entdeckte ich ihn auf meiner Festplatte. Damit er nicht wieder in Vergessenheit gerät, veröffentliche ich ihn nun mit einem Jahr Verspätung.

Vinzent Liebigs Blog-Einträge zu Pluto hatten mich dazu angeregt, wieder die alten Unterlagen meines ersten Seminars im März 1990 bei Bruno und Louise Huber herauszusuchen, das zufälligerweise (oder auch nicht) ein Pluto-Seminar war. Damals befand sich Pluto, den wir noch als äußersten Planeten unseres Sonnensystems wähnten, im Skorpion. Es war eine ähnlich intensive Zeit wie heute. Immerhin fiel der Eiserne Vorhang unter seinem Einfluss, wir machten hautnahe Erfahrungen mit den Gefahren der Kernenergie durch die Katastrophe von Tschernobyl, Wirtschaftskrisen und Rezessionen wollten kein Ende nehmen, die Arbeitslosigkeit nahm gigantische Ausmaße an und schon damals jagte ein Skandal den nächsten.

Bruno begann das Seminar mit einem kurzen Abriss über Plutos Lauf durch die Tierkreiszeichen. Da Pluto für einen kompletten Durchlauf fast ein Vierteljahrtausend benötigt, mussten wir weit zurückgehen. Bruno präsentierte dazu eine Grafik, die sofort, ohne viele Worte erklären konnte, warum Pluto als Zeichen-Herrscher zur Besitzachse Stier-Skorpion gehört:

Pluto Durchlauf Zeichen

 

Wir erfuhren auch, warum er sich für ein Pluto-Symbol entschied, das sonst kaum ein Astrologe in der Welt für Pluto benutzt.

Das Kreuz bedeutet Körperlichkeit: die feste, endgültige Form. Der obere Teil hat Ähnlichkeit mit der Rune „Man“, die einen Mann bzw. den Menschen darstellen soll. Im Nationalsozialismus wurde dieses alte Symbol leider ebenso missbraucht wie die hinduistische Swastika.

Das chinesische Schriftzeichen für Mann sieht ähnlich aus, wenn man es um 180° dreht, quasi auf den Kopf stellt. Dann zeigt es einen Menschen an, der „nach oben“ gerichtet ist.

Dieses in der Astrologischen Psychologie verwendete Symbol für den Planeten Pluto erinnert an einen Magier oder Hohepriester, der die Arme den Himmel beschwörend nach oben hebt, oder auch an einen Springbrunnen, der das Wasser aus der Tiefe nach oben strömen lässt.

Tatsächlich öffnet sich Pluto in der Deutungsweise der Huber-Methode zum Geistigen hin und wirkt wie ein Trichter für geistige Energien, die in die Körperlichkeit hinabströmen, sich in der Materie manifestieren, diese beeinflussen und dort Veränderungen hervorrufen. Umgekehrt kann man sich unter diesem Symbol auch Energien vorstellen, die aus der Körperlichkeit nach oben strömen und das Bild des Strebens nach der geistigen Welt darstellen. Es geht in diesem Pluto-Symbol also einerseits um den Menschen (das chinesische und Runen-Zeichen für Mann) und um Energien, die von oben nach unten bzw. von unten nach oben strömen, die Himmel und Erde miteinander verbinden. Oder:

Der Geist wandelt die Gestalt.
(Metamorphose)

Der Mensch soll sich etwas „Höheres“ (das über seine Körperlichkeit und damit Sterblichkeit hinausgeht) vorstellen können, nach dem er streben kann. Dies ist der zentrale Sinn des Pluto im Horoskop in der Deutungsweise der Astrologischen Psychologie. Solche Vorstellungs-Bilder nennt man auch Leitbild oder Ideal. Ein Bild, das uns auf unserem Lebensweg leitet, das es uns ermöglicht, „über uns selbst hinauszuwachsen“.

Alle drei geistigen Planeten reizen solche Idealvorstellungen an:

Uranus das „Ideal der perfekten Welt“, in der keine Unwissenheit, keine Not, kein Hunger, keine Krankheit herrschen sondern alles in vollkommener Harmonie ist.

Neptun das „Ideal der perfekten Liebe“, das Höchstmögliche, das wir Menschen uns unter optimalen zwischenmenschlichen Beziehungen vorstellen können, auch der optimalen Kommunikation zwischen allen Wesen (die idealerweise keiner Worte mehr bedarf).

Pluto ist das „Ideal des perfekten Menschen“, das Höchstmögliche, das wir uns am (vorläufigen) Ende unserer geistigen Entwicklung vorstellen können. Pluto kennt den Weg zur inneren geistigen (spirituellen) Essenz des Menschen, des „wahren Seins“, das bereits optimal ist und nur darauf wartet, von uns erkannt und verwirklicht zu werden. Pluto reizt uns an, „nach diesem Höherem in uns“ (der Kreis in der Horoskopmitte) zu streben.

In den Tierkreiszeichen weckt und entfaltet die Pluto-Kraft in erster Linie kollektive Leitideen, die den einzelnen Zeichenqualitäten entsprechen. Sie beherrschen als kollektive Archetypen den Geist der jeweiligen Zeit und das Bewusstsein der Menschen.

Pluto ArchetypenVor 250 Jahren war Pluto das letzte Mal im Zeichen Steinbock und reizte den Archetyp der Autorität und Macht an. In der Welt herrschte noch der Geist der Monarchie und des Absolutismus. Der Monarch herrschte uneingeschränkt und kaum beeinflusst von demokratischen Institutionen. Der Siebenjährige Krieg (1756 bis 1763) geht gerade seinem Ende zu, den man als den ersten weltumspannenden, globalen Krieg bezeichnen kann, denn er wurde nicht nur in Europa sondern auch in Indien und Nordamerika ausgefochten. Doch was in den Jahren des Pluto-Transits durch den Steinbock geschah, war eine Überspitzung des Macht-Archetyps. Wenn eine Fehl-Entwicklung eine kritische Masse erreicht, kommt es zur Krise, während und nach der sich die Gleichgewichte der Kräfte neu ausbalancieren können. Der Begriff der „kritischen Masse“ stammt aus der Kernphysik, die inhaltlich mit der Entdeckung Plutos eng zusammenhängt. So wirkt Pluto in der Regel erst dann die Form zerstörend, wenn der Schwellenwert der kritischen Masse erreicht wird, und das kann unter Umständen länger dauern als erwartet oder erhofft.

Pluto-Steinbock-IngressIn den 1760er und 1770er Jahren erreichte die Idee des Absolutismus eine kritische Masse ähnlich wie schon im 16. Jahrhundert beim vorletzten Pluto-Ingress in den Steinbock der Absolutismus der Katholischen Kirche durch Luthers Reformation herausgefordert wurde. In Nordamerika waren die dreizehn britischen Kolonien nicht mehr bereit, ohne politische Mitbestimmung Steuern an das Mutterland Großbritannien abzuführen. Es entbrannte ein Unabhängigkeitskrieg, in dessen Verlauf die Kolonien ihre Unabhängigkeit und Autonomie erklärten, beides wesentliche Stichworte für das Zeichen Steinbock.

Mit dem neuerlichen Eintritt Plutos in den Steinbock im Jahr 2008 werden weitere „Heilige Kühe“ geschlachtet. Wieder ist die Katholische Kirche im Brennpunkt des plutonischen Geschehens, aber auch das Thema Geld (das Bankwesen als Monarchie, die unabhängig von politischer Beeinflussung ihre Ziele durchsetzen will), und natürlich Vater Staat, der alles richten will und soll (Schuldenkrise fast aller Staaten in der Welt). Die Vereinigten Staaten von Amerika, die aus der Autonomiebewegung vor 250 Jahren entstanden sind, stehen heute ganz besonders unter Pluto-Einfluss. Es werden die spirituellen Grundsätze von „god’s own country“ während dieses Transits noch weitere neun Jahre auf Herz und Nieren geprüft.

Das sind nur einige Facetten der mundanen Sicht des Pluto-Einflusses auf das Weltgeschehen, die wir allein durch astrologische Betrachtungen kaum werden beeinflussen oder gar verändern können. Da bleibt uns in erster Linie nur das Lamentieren über den Status Quo, was ich gerne anderen überlasse.

Pluto wirkt allerdings auch und vor allem in uns Menschen. Er manifestiert sich über denkende, fühlende und handelnde Menschen in der Welt. Es gibt für den einzelnen Menschen im allgemeinen mindestens zwei Möglichkeiten: Er kann sich mit diesen Leitbildern nach sorgfältiger Prüfung identifizieren, ihnen nachstreben, versuchen sie sich anzueignen, sich ihnen anzugleichen – oder er kann sie auf Menschen und Wesen projizieren, die weit über seinen Fähigkeiten stehen.

Im ersten Falle kann die plutonische Kraft der Methamorphose in uns das geistige Wachstum anreizen. Im zweiten Falle delegieren wir das Potential der eigenen Vollkommenheit an andere, an Außenstehende. Sie müssen diese Archetypen für uns leben, weil wir uns nicht zutrauen, jemals so perfekt werden zu können. Es genügt uns dann, diese Idole zu bewundern, ihnen „anzuhängen“. Anstrengen müssen wir uns dafür nicht, verpassen aber dann auch die Chance, unser geistiges Potential zu verwirklichen und damit die Welt und das Bewusstsein auf unserem Planeten ein klein wenig heller mitzugestalten. Problematisch an der Verehrung von Idolen ist nicht nur, dass wir unsere eigene Entwicklung dabei verpassen, sondern auch, dass wir für Kollektiv-Schicksale empfänglich werden. Denn alle drei geistigen Planeten wirken sich vor allem dann als Kollektiv-Schicksal aus, wenn wir ihnen kein individuelles Gesicht geben, wenn wir sie in unserem Leben nicht auf unsere individuelle Art kultivieren. Es liegt also in unserem eigenen Interesse, uns hier ein wenig anzustrengen.

SteinbockWas verlangt uns die Pluto-Kraft im Zeichen Steinbock nun an Eigenanstrengung ab? Im Steinbock geht es um die Themen Individualität, um Autorität und um Macht. Und dies nicht nur kollektiv, sondern auch individuell. Im Individual-Zeichen Steinbock geht es darum, unsere Individualität und Eigenständigkeit zu entdecken und zu entfalten, als Persönlichkeit zu reifen, uns selbst zu bemeistern, über uns selbst zu bestimmen und dies nicht anderen, speziell den persönlichen Idolen, zu überlassen. Wir tragen die Verantwortung für unser Leben selbst, neigen jedoch durch Plutos Aktivierung der gesamten Wachstums- und Individuationsachse Krebs/Steinbock vielleicht dazu, vom Kollektiv (Krebs als Kollektiv-Zeichen) versorgt werden zu wollen oder uns von ihm bestimmen zu lassen.

Im Grunde ist jetzt, solange Pluto durch den Steinbock wandert, jeder Mensch dazu aufgefordert, den geistigen Entwicklungsweg dieses Zeichens auf sich zu nehmen und Individuum zu werden, das heißt „das Unteilbare in sich zu entdecken und zu verwirklichen“. Dann können wir Individuum mit Autorität und Macht sein, die keine Anmaßung ist, sondern eine natürliche Folge dieses Bewusstwerdungsprozesses.

Doch was wir heute sehen, ist häufig angemaßte Macht und aufgesetzte Autorität. Da die Pluto-Kraft in der Welt und in uns jedoch all diese Anmaßungen zerstört, weil sie nicht mit dem inneren Kern, dem Sein, übereinstimmen, kommt es unweigerlich zu Enttäuschungen, wenn wir den falschen, nicht tragfähigen Idolen und Idealen anhängen und hinterher laufen. Das geschieht nicht nur im Steinbock, sondern in allen Zeichen des Tierkreises. Es liegt in Plutos Natur, nur das Wahre, Vollkommene, Göttliche bestehen zu lassen. Alles andere unterliegt dem ewigen Wandel von Werden und Vergehen.

Man stelle sich vor, es gäbe nur 5 % mehr solcher Menschen, die ihre innere Essenz entdecken und verwirklichen können, wie zum Beispiel Mohandas Gandhi (Pluto in Stier), Jiddu Krishnamurti (Pluto in Zwillinge) oder Nelson Mandela (Pluto in Krebs), oder die es zumindest versuchen, danach zu streben – wie viel friedlicher und idealer wäre die Welt. Wir müssten uns weder über Obama und den NSA noch über Putin und die Krise auf der Krim aufregen. Was natürlich einfacher und bequemer ist, als selbst etwas zu tun und bei sich selbst anzufangen, und so lesen wir auch in kaum einem astrologischen Blog oder Diskussionsforum, wie wir uns selbst bemeistern und verbessern könnten, sondern wir erfahren in erster Linie, wie beschissen doch die Welt und ihre Machthaber sind. Und an allem ist natürlich dieser vermaledeite Pluto schuld.

Wie gesagt, die Astrologische Psychologie legt für die Zeit des Plutotransits durch den Steinbock zum Beispiel nahe, dass jeder Mensch den geistigen Entwicklungsweg des Zeichens Steinbock geht, der da lautet: Mensch, sei realistisch, werde erwachsen, eigenständig und autonom, individualisiere dich, entdecke „das Unteilbare“ in dir. Beachte die Gesetze des Lebens und des Geistes. Und vergiss bei all dem die Liebe nicht, denn der nächste große Entwicklungsschritt für das Zeichen Steinbock ist die Verwirklichung der spirituellen Liebe, das geistige Leitmotiv des Steinbocks.

Vor vielen Jahren nannte ich in einem Artikel über den Maler Vincent van Gogh die Achse Krebs/Steinbock die „Licht-Achse“, denn sowohl im Zeichen Krebs als auch im Zeichen Steinbock spielt das Licht aus esoterischer Sicht eine besondere Rolle. Licht ist Bewusstsein, und Bewusstsein strebt zur Liebe. Beides kann uns, unseren Mitmenschen und der Welt nur guttun. Nutzen wir diese einmalige Gelegenheit, die Pluto uns bietet, denn in neun Jahren ist sie schon wieder Geschichte und kommt erst im Jahr 2250 wieder.

Combin Pluto in Steinbock + StarfishWir können ein Combin-Horoskop des dritten und endgültigen Pluto-Ingresses in den Steinbock (27.11.2008. 01:02:59 GMT) mit unserer Radix erstellen, um mehr darüber zu erfahren, was Pluto in Steinbock für uns ganz individuell bedeutet. Ich war ganz erstaunt, dieses Horoskop auf dem Bildschirm zu sehen, wimmelt es darin in meinem Fall nur so von galaktischen Faktoren, was meine alte und neue Obsession für galaktische Dimensionen in unseren Horoskopen erklären könnte.

Combin Plutoingress Steinbock + FranziskusIch erinnere mich heute, dass ich vor einem Jahr eine Betrachtung solcher Combin-Horoskope geplant hatte, zum Beispiel das des Papstes Franziskus I. und Plutos Steinbock-Ingress. Aber dann drängten sich offenbar andere Dinge mehr auf.

Zur zweiten Halbzeit wünsche ich den Lesern viele neue Eindrücke und Anregungen auf dem plutonischen Pilger-Weg des Steinbocks.
Möge die Kraft mit Euch sein… 🙂

Lese-Tipps:
Bruno Huber: Pluto …und er macht Geschichte. Astrolog Nr. 30
Bruno Huber: Pluto in den zwölf Zeichen. autodidacta Heft, API-Verlag
Louise Huber: Pluto in Steinbock. Astrolog Nr. 161
Birgit Braun: Vincent van Gogh: „Feuer in der Seele“. Astrolog Nr. 110 + 111 und auf der Starfish-Seite
Starfish-Blog: Sonnenfinsternis in Steinbock.

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