Zeitalter des Pegasus

Wassermann (Urania's Mirror)

Wassermann (Urania’s Mirror)

Astrologen rätseln seit Jahrzehnten, wann denn nun das Zeitalter des Wassermanns beginnt. Spätestens seit dem Musical Hair ist es in aller Munde. Gemeint ist der Ingress des Frühlingspunktes in das STERNBILD Wassermann. Astronomen unterteilten im Jahr 1922 den Himmel recht willkürlich in 88 Sternbilder. Das Sternbild Wassermann erstreckt sich seitdem zwischen einer Rektaszension von 20h38m19s bis 23h56m27s und einer Deklination zwischen −24°54′ 15″ bis +3°19′ 32″. Für Astrologen sind diese Angaben schwierig umzusetzen, denn sie orientieren sich nicht am Himmelsäquator wie die Astronomen, sondern an der Ekliptik. Das benachbarte Sternbild Fische überlappt sich mit Teilen des Sternbilds Wassermann, wenn man den astronomisch definierten Ort auf die Ekliptik der Astrologen projiziert. Es gibt deshalb keinen abrupten Übergang von Fische zu Wassermann. 

GZ und Frühlingspunkt (Grafik: H. Zittlau)

GZ und Frühlingspunkt (Grafik: H. Zittlau)

Astrologen schimpfen gerne auf die moderne Wissenschaft und ihre Vertreter, die Astronomen. Dabei teilten schon die alten Babylonier, das Ursprungsland der Astrologie, den Himmel äquatorial ein, d.h. auf der Basis des Himmelsäquators mit dem Himmelsnordpol als Zentrum. Das ist gute, alte astrologische Tradition, die von Astronomen heute so fortgeführt wird. Bruno Huber, neben seiner Tätigkeit als Astrologe ein studierter Astronom (!), hatte sich auch seine Gedanken über das Wassermannzeitalter gemacht und eine interessante Korrelation zwischen dem Lauf des Galaktischen Zentrums durch den tropischen Tierkreis und dem Lauf des Frühlingspunktes durch die Sternbilder entdeckt. Als der Frühlingspunkt zum Beispiel durch das Sternbild Widder wanderte, lief gleichzeitig das Galaktische Zentrum durch das Tierkreiszeichen Skorpion. Als der Frühlingspunkt in das Sternbild Fische wechselte, wanderte das Galaktische Zentrum durch das Tierkreiszeichen Schütze. Es stellte sich heraus, dass beide Zeichen durchlaufen werden, die in der klassischen Astrologie dem gleichen Planeten als Herrscher zugeordnet werden, sodass man eigentlich vom Ende des Zeitalters des Jupiters (Fische und Schütze) sprechen müsste, das vom Zeitalter des Saturn (Wassermann und Steinbock) abgelöst wird. Wie man in der Grafik sehen kann, befindet sich der Frühlingspunkt aktuell noch im Sternbild Fische und wird ab dem Jahr 2079 gleichzeitig das Sternbild Wassermann durchlaufen.

Klassische Zeichenherrscher (API-Bildarchiv)

Klassische Zeichenherrscher (API-Bildarchiv)

Die Grafik zeigt vermutlich auch den Ursprung der Ordnung der klassischen Zeichenherrscher. In der Region der Zeichengrenze von Krebs/Löwe und Steinbock/Wassermann kreuzen sich der Frühlingspunkt und das Galaktische Zentrum (FP=GZ). Dies ist die Achse, entlang der sich die klassischen Herrscher spiegeln.

Man könnte noch den siderischen Zodiak konsultieren. Wer im Besitz einer gedruckten Ephemeride ist, findet dort für jeden Monat die Position des SVP (Sidereal Vernal Point), der siderische Frühlingspunkt nach den Forschungen von Fagan/Bradley. Dieser befindet sich auf rund 5° im Tierkreiszeichen Fische und wird erst in über 300 Jahren das Zeichen Wassermann erreichen. Das passt zum aktuellen Ayanamsha von rund 24°. Das Wassermannzeitalter wäre demnach in weiter Ferne und ließe noch einige Hundert Jahre auf sich warten.

Nakshatra des Frühlingspunktes

Nakshatra des Frühlingspunktes

Wäre da nicht die indische Astrologie, hätte ich die Sache schon längst zu den Akten gelegt. In den Veden wird immer wieder auf astronomische Ereignisse Bezug genommen. Die Eckpunkte des tropischen (!) Jahres werden gelegentlich in vedischen Hymnen erwähnt, und zwar, vor welchem Nakshatra zum Beispiel die Sonnenwenden stattfanden. Der Astrologe von heute sollte wohl besser beobachten, vor welchem Nakshatra sich jedes Jahr der Frühlingsanfang abspielt. Der Beginn eines Nakshatra ist astronomisch genau definiert, denn die Nakshatra sind äquatorial zu verstehen und nicht auf die Ekliptik bezogen. Der Frühlingspunkt befindet sich heute in der Konstellation Uttara Bhadrapada, die eine Hälfte des Sternbildes Pegasus ausmacht. Das sich anschließende Nakshatra Purva Bhadrapada entspricht der zweiten Hälfte des Sternbildes Pegasus. Wir sind also im Zeitalter des Pegasus, des geflügelten Pferdes.

Uttara Bhadrapada

Der griechischen Mythologie nach war Pegasos ein geflügeltes Pferd, das dem Hals der todbringenden Medusa entsprang, nachdem Perseus ihr das Haupt abschlug. Das Flügelross entfloh und wurde später von Bellerophon eingefangen, der mit ihm zahlreiche Abenteuer erlebte. Als sich aber Bellerophon zu den Göttern aufschwingen wollte, zog er sich den Zorn des Zeus zu. Zeus sandte eine Bremse aus, die Pegasus stach. Das Ross scheute und warf Bellerophon ab, der unsanft auf der Erde landete. Pegasus flog weiter zum Olymp und trägt seither die Blitze des Zeus. (Wikipedia)

Die Musen (Μοῦσαι Mousai) der griechischen Mythologie sollen bei einer Quelle zu finden sein, die durch einen Hufschlag des Pegasos freigelegt worden war.

Uttara Bhadrapada steht in Verbindung mit Feuer und mit Zorn. Die Gottheit Abhibadhnu, eine Form des Sturmgottes Rudra, steht für die Zerstörung trügerischer Vorstellungen und lässt intensiv nach spirituellen, „höheren“ Bewusstseinsebenen streben. Prosaischer steht diese Konstellation in Verbindung mit Reisen und mit dem Wunsch nach Entsagung, danach, alles hinter sich zu lassen und sich auf Wanderschaft zu begeben.

Seitdem der Frühlingspunkt im Jahr 1596, dem Geburtsjahr des Philosophen Descartes („Ich denke, also bin ich“), in das Nakshatra Uttara Bhadrapada eingetreten ist, erobert der Mensch die Erde und entwickelt Transportmöglichkeiten, die die Welt immer kleiner werden lassen. Wir können in Windeseile von einem Ort zum anderen gelangen, denn der Mensch erobert auch den Luftraum, kann mit Raketen Krieg führen und mit Raumschiffen das All erforschen. Helden wie Superman und Batman beherrschen unsere modernen Mythen und unsere Kunst. Und manchmal stürzen diese Helden ab. Wir alle sind Glücksritter wie Bellerophon, die sich der Natur (im Mythos ein Pferd) bedienen, um mit ihrer Hilfe (und um den Preis ihrer Ausbeutung) in den Himmel unserer Wünsche und Ziele zu fliegen, und die von ihrem Reittier abgeworfen werden, wenn sie zu dabei zu hoch hinauswollen.

Erst im Jahr 3275 wird der Frühlingspunkt das Nakshatra Shatabishak betreten, das sich im Sternbild Wassermann befindet.

Literatur:
Pegasus. Constellations of Words
Uttara Bhadrapada. Starfish-Blog
Bruno Huber: Das Galaktische Zentrum und die Zeitalter-Lehre. Astrolog Nr. 43
Christopher Reeve. Starfish-Blog
Feuerstein, S. Kak, D. Frawley: In Search of the Cradle of Civilization.

Software: KālaStellarium

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4 Gedanken zu „Zeitalter des Pegasus

  1. Ranma

    Im Pegasus befindet sich auch der erste jemals entdeckte Exoplanet. Er heißt Bellerophon. Das paßt zum Zeitalter des Pegasus und macht es zugleich vielversprechend.

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  2. Diana

    Spannendes Thema. David Warner Mathisen, ein Astrotheologe und Buchautor von Sternenmythen, hatte mal auf seiner youtube Seite mathisen corollary empfohlen, sich das Buch The Stars a new way to see them (1976) von Hans A. Rey zu besorgen, weil da noch die Original Konstellationen abgebildet sind (kann man online bei Amazon einsehen). Diese nutzt er, um damit zB die Abbildungen auf antiken griechischen Vasen zu vergleichen für sein ancient world system.
    1584 hat Giordano Bruno eins seiner Bücher Kabbala des Pegasus benannt, der wird das sicher auch gewusst haben…
    Vielen Dank für die spannenden Beiträge hier, ich bin fleißig am lesen
    Liebe Grüße aus München, Diana

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    1. Diana

      Und nach Wolfgang Wiedergut das beste, was ich bislang finden konnte: „Erwachen Wissen Schaffen“ auf youtube erklärt unseren Übergang des 40. Breitengrad und was das mit dem Erdmagnetfeld zu tun hat… Sowas von spannend! Was kommt da auf uns zu?

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